Ist das Zollabkommen ein „fossiler Deal“?
Shownotes
Über Monate hinweg wurde verhandelt, gedroht, wurden Fristen gesetzt und wieder zurückgenommen. Jetzt endlich haben die USA und die Europäische Union sich in Sachen Zölle geeinigt: Ab Freitag soll auf so gut wie alle EU-Einfuhren in die USA ein einheitlicher Zollsatz von 15 Prozent gelten, viele rechtliche Details sind noch ausständig.
Für diese Einigung wird die EU einen hohen Preis bezahlen: Sie hat sich unter anderem verpflichtet, innerhalb von drei Jahren fossile Energieträger wie Flüssiggas, Kohle und Erdöl im Wert von 750 Milliarden US-Dollar, also 640 Milliarden Euro, aus den USA zu importieren. Zusätzlich soll sie 600 Milliarden US-Dollar in den USA investieren: Was bedeutet das für die Energieunabhängigkeit Europas?
Matthias Auer, Economist-Redakteur und Energieexperte der „Presse“, erklärt in dieser Folge, welche und wie viel Energieprodukte die EU künftig aus den USA gekauft werden, was das für heimische Energiepreise und heimische Klimaziele bedeutet. ** Gast:** Matthias Auer, „Die Presse“ Host: Christine Mayrhofer Schnitt: Audiofunnel/Dominik Lanterdinger
Mehr zum Thema: >>> Was genau haben Trump und von der Leyen vereinbart? >>> Die EU riskiert eine teure Energieabhängigkeit von den USA >>> So wird der „unrealistischste Deal aller Zeiten“ Europas Energiepreise verändern
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00:00:00: Über Monate hinweg wurde verhandelt und gedroht, da wurden Fristengesetz und wieder zurückgenommen.
00:00:15: Jetzt endlich haben sich die USA und die Europäische Union im Zollstreit geeinigt.
00:00:20: Ab Freitag soll auf so gut wie alle EU-Importe in die USA ein einheitlicher Zollsatz von
00:00:26: 15 Prozent gelten. Viele rechtliche Details dieser Einigung sind aber noch ausständig.
00:00:32: Mein Name ist Christine Meyerhofer und Sie hören, was wichtig ist, den täglichen Nachrichtenpodcast
00:00:38: der Presse. Für diese Einigung wird die EU einen hohen Preis bezahlen. Sie hat sich unter anderem
00:00:45: verpflichtet, innerhalb von drei Jahren Energieträger im Wert von 750 Milliarden US-Dollar,
00:00:52: also 640 Milliarden Euro, aus den USA zu importieren. Was bedeutet das für die Energieunabhängigkeit
00:01:00: Europas? Über die energie- und klimapolitischen Folgen des Zolldeals habe ich mit Matthias Auer
00:01:06: aus dem Wirtschaftsfoto der Presse gesprochen. Hallo Matthias. Hallo. Matthias, die Zolleinigung
00:01:16: zwischen den USA und der EU hat nicht nur Handels, sondern auch energiepolitische Weichen für Europa
00:01:21: vorgestellt. Die EU hat sich nämlich verpflichtet, über einen Zeitraum von drei Jahren Energieprodukte
00:01:28: im Wert von 750 Milliarden Dollar in den USA zu kaufen. Das klingt nach viel. Um welche
00:01:35: Energien geht es da überhaupt und um welche Mengen davon? Also es klingt viel. Es ist
00:01:41: auch viel. Es ist sogar sehr viel. Darüber, welche Energieträger explizit gemeint sind,
00:01:47: drüber gibt da die eigentlich keinen Aufschluss. Da steht da so konkret nicht drinnen. Wenn
00:01:52: man sich die bisherigen Importe anschaut aus den USA, kann man darauf schließen, dass
00:01:56: es sehr viel Öl sein wird, dass es vor allem auch sehr viel Flüssig-Gast sein wird. Da
00:02:01: sind die USA heute schon der größte Lieferant Europas, aber zum Beispiel auch Komponenten
00:02:06: für Atomkraftwerke oder Uranen könnten oder das Abkommen fallen. Die erste Frage, die
00:02:13: ich mir darstellt, brauchen wir das überhaupt? Die Menge ist gewaltig, die man um dieses
00:02:18: Geld einkaufen könnte. Vielleicht zum Vergleich, wenn man sich ansieht, was haben die USA bisher
00:02:24: an Energieprodukten nach Europa geliefert im Vorjahr? Haben die Exporte im Wert von
00:02:29: 67 Milliarden Euro in die EU geschickt? Gibt man jetzt davon aus, dass diese 750 Milliarden
00:02:36: oder knapp 650 Milliarden Euro auf drei Jahre aufgeteilt werden, dann müsste das de facto
00:02:42: drei Mal so viel sein. Das halten im Grunde alle Experten und Analysten für de facto
00:02:48: unerreichbar aus unterschiedlichen Gründen. Erstens Europa braucht das gar nicht, weil
00:02:54: wir haben auch andere Lieferanten und nicht nur die USA. Auch diese Verträge kann man
00:02:58: nicht alle plötzlich in Luft auflösen lassen. Der größte Hebel, den es da gibt, sind natürlich
00:03:04: die russischen Öl- und Gas-Importe, die es auch immer noch gibt. Die sollen ja mit Anfang
00:03:08: 20, 28 auslaufen. So ist das zumindest der Wunsch im Brüssel. Aber selbst wenn Amerika
00:03:15: all diese Gaslieferungen und Öllieferungen übernehmen würde, würde das, was die USA
00:03:21: verdienen, nur unter Anführungszeichen um 50 Milliarden steigen. Also es bliebe eine
00:03:26: Lücke von 100 Milliarden Euro. Und von der anderen Seite… Das wäre jetzt die nächste
00:03:31: Frage, nämlich ob die USA überhaupt diese Menge liefern könnten. Aus heutiger Sicht
00:03:37: eher nein. Also wenn man sich da die offiziellen Statistiken ansieht, dann müssten die USA
00:03:42: schon fast die kompletten Energieexporte diese heute in die ganze Welt schicken, künftig
00:03:48: nach Europa senden, um eben die vereinbarten Bestellungen zu erfüllen. Also im Vorjahr
00:03:54: hat man Energie um 318 Milliarden Dollar verkauft und die Uhr davon eben nur einen Bruchteil
00:04:00: bekommen. Besonders unrealistisch ist das, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass Trump
00:04:04: ja nicht nur mit Europa einen Handelstil gemacht hat, sondern zum Beispiel auch kürzlich
00:04:09: sehr prominent mit Japan, wo auch deutlich höhere Importe von US LNG, also von Flüssigast
00:04:16: heil des Deals war und auch viele andere südostasiatische Staaten, haben das sogar
00:04:21: ohne einen eigenen Deal anzustreben. Schon in voraus einem Gehorsam gesagt, wir werden
00:04:26: ganz viel amerikanisches LNG kaufen. Also so viel LNG gibt es dann auch wieder nicht
00:04:32: in den USA, um das alles zu erfüllen. Ein möglicher Ausweg, wie man doch ansatzweise
00:04:39: auf diese Summen kommen könnte, ist eben die Atomenergie. Und zwar dann, wenn man auch
00:04:46: Komponenten für den Bau von Atomkraftwerken mitrechnet. So ein Werk kostet etwa 50 Milliarden.
00:04:51: Polen lässt sich gerade eines von Westinghouse, ist ein amerikanisches Unternehmen bauen.
00:04:56: Und wenn es da zwei, drei mehr gibt, kommt man dann doch auch irgendwann auf die Summen.
00:05:01: Jetzt hat die EU schon vor ein paar Jahren das Ziel ausgerufen, ihre Energielieferanten
00:05:07: zu diversifizieren, Stichwort Energieabhängigkeit, insbesondere die Abhängigkeit von russischen
00:05:13: Öl- und Gasimporten. Trägt jetzt dieser Deal zu dieser Diversifizierung bei oder besteht
00:05:19: nicht viel eher die Gefahr, dass die eine Abhängigkeit einfach durch eine andere ersetzt
00:05:23: wird? Die Abhängigkeit von Russland wird natürlich
00:05:26: minimiert, wenn ich verbiete russische Energie zu kaufen. Diversifizierung schaut klarerweise
00:05:31: anders aus. Also in dem Fall, wie du es angedeutet hast, tauscht man im Grunde die Abhängigkeit
00:05:36: von einem Erhauptlieferanten nur gegen die Abhängigkeit von einem anderen aus und hat
00:05:41: wenig damit zu tun, was sich die EU zu Beginn der Energiepreiskrise vorgenommen hat, nämlich
00:05:46: auf einer möglichst breiten, verranten Pool sich stützen zu können. Einem Punkt möchte
00:05:51: ich da schon noch einwerfen, weil wir reden jetzt ganz viel über diesen Deal, der noch
00:05:56: relativ frisch ist, wo vieles noch unklar ist. Und ich glaube ein ganz entscheidender Punkt
00:06:01: ist, was davon ist überhaupt umsetzbar. Es ist nämlich auch rechtlich umsetzbar, weil
00:06:05: man muss sich vorstellen, die EU kauft ja weder Gas noch Öl, noch sonst irgendwas, sondern
00:06:10: das machen alles Unternehmen und jetzt sind einige Energieunternehmen, auch gar nicht
00:06:15: so wenige in Europa staatlich oder teilstaatlich, aber es gibt eben auch ganz, ganz viele private
00:06:21: Energie unternehmen und da gibt es meines Wissens noch keinen
00:06:26: Keinen Mechanismus, der in irgendeiner Form legal und rechtsbindend wäre, wie ich Dieter
00:06:29: zu zwingen möchte, dann künftig eben nur noch in Amerika einzukaufen.
00:06:34: Eine Frage, die sich natürlich gleich auftränkt, ist, ob die EU mit diesen Plänen ihre Klimaziele
00:06:41: aus den Augen verliert.
00:06:42: Wenn ich eine zugegebenermaßen absurd hohe Abnahmegarantie für doch überwiegend fossile
00:06:48: Brennstoffe ausspreche im Jahr 2025, dann trägt das natürlich nicht zur Energiewende bei.
00:06:55: Ich würde aber argumentieren, dass jetzt dieser Deal mit Trump dann nicht den Ausschlag gegeben
00:07:00: hat, weil alles, was man da so bespricht, von wegen Lock-in-Effekten, wenn Gaskraftwerke
00:07:05: neu gebaut werden, die vielleicht an manchen Stellen tatsächlich zur Stabilisierung der
00:07:10: Stromnetze notwendig sind oder wenn neue LNG-Terminals gebaut werden, all das machen
00:07:15: die europäischen Staaten ja schon ganz alleine.
00:07:17: Also da haben sie Trump nicht gebraucht, dafür haben die veränderten politischen Realitäten
00:07:24: innerhalb Europas ausgereicht.
00:07:25: Machen aber jetzt solche wirtschaftlichen Unterfangen vielleicht lukrativer?
00:07:30: Vieles geht jetzt in eine andere Richtung als vor ein paar Jahren, sagen wir es so.
00:07:34: Bleiben wir noch kurz mal beim Thema Klima, weil wir vorhin über die doch sehr umfassende
00:07:39: Menge an fossilen Energien gesprochen haben, die nicht nur europakünftig, sondern du hast
00:07:44: es erzählt, auch andere Abnehmer gefunden haben.
00:07:47: Das würde im Umkehrschluss auch bedeuten, dass die USA ihre Produktion fossiler Energien
00:07:53: enorm in die Höhe fahren werden.
00:07:56: Das hat ja auch Auswirkungen.
00:07:58: Natürlich hat das Auswirkungen.
00:08:00: Also noch einmal, der Deal konkret schreibt nicht vor, welche Formen von Energie Europakauft,
00:08:05: es kann Nuklearenergie sein, es können irgendwelche Schrauben sein, die man in den Kraftwerk
00:08:10: einbaut.
00:08:11: Solarstrom wird es nicht sein wahrscheinlich, grüner Wasserstoff wahrscheinlich auch nicht
00:08:14: in den nächsten drei Jahren.
00:08:15: Also ja, es wird ganz viel fossiler Energie sein und die USA einer der größten, also
00:08:21: der größte Ölproduzent und einer, also ist sowieso der größte Ölproduzent und produziert
00:08:26: so viel Erdöl wie überhaupt noch nie in der Geschichte.
00:08:29: Jetzt schon.
00:08:30: Trump hat natürlich angekündigt, das weiter steigern zu wollen, so gut das halt jetzt noch
00:08:34: möglich ist.
00:08:35: Und auch auf der Gasseite, also beim Flüssig-Gas bei LNG gibt es ganz, ganz weitreichende
00:08:41: Ausbaupläne, also dass halt die Kapazitäten da werden ausgebaut werden.
00:08:46: Du hast vorhin schon erwähnt, dass natürlich im Detail noch kein einziger konkreter Einkauf
00:08:51: getätigt worden ist.
00:08:53: Was bedeutet denn dieser generelle Deal jetzt für Österreich?
00:08:57: Also wenn wir davon ausgehen, dass Europa künftig noch einmal deutlich mehr LNG aus den USA
00:09:04: kaufen wird, das ist glaube ich das, wovon wir in jedem Fall ausgehen kann und muss,
00:09:09: dann wird dieses Flüssig-Gas auch in Österreich landen.
00:09:12: Also wir sind zwar in der Mitte des Kontinents, haben keinen eigenen Hafen, sind aber über
00:09:17: Deutschland in Richtung Norden und über Italien in Richtung Süden doch sehr gut angebunden.
00:09:23: Das heißt, dieses Gas wird hier ankommen.
00:09:25: Was es für die Preise bedeutet, da gibt es noch ein wenig Unklarheiten.
00:09:31: Klar ist, wenn der Deal in dieser Größenordnung erfüllt wird, dann hat das auf jeden Fall
00:09:35: Folgen.
00:09:36: Ich weiß nicht, ob du dich da mal ein bisschen schlau gemacht hast, aber wenn man im Netz
00:09:40: schaut, was kostet eigentlich amerikanisches LNG, was kostet russisches LNG, ich widme
00:09:45: ganz viele Meldungen, wo steht ja amerikanisches LNG doppelt so teuer wie russisches, das
00:09:50: habe ich mal versucht nachzurecherchieren, ist tatsächlich nicht möglich, weil, wie wir
00:09:55: mittlerweile wissen, dass russische Propaganda zu sein scheint, laut Eurostat, also offiziellen
00:10:00: Eurostat-Daten, ist amerikanisches LNG sogar leicht günstiger als russisches.
00:10:06: Trotzdem ist die Gefahr groß, dass die Energiekosten weiter steigen und zwar deswegen oder und
00:10:12: zwar vor allem dann, wenn die EU tatsächlich den ganzen 250 Milliarden Dollar Rahmen pro
00:10:19: Jahr ausschöpfen will, weil das hieße fast das gesamte US LNG am Markt, muss in irgendeiner
00:10:25: Form nach Europa und das geht nur, wenn Europa absurd hohe Preise bezahlt.
00:10:30: Was bedeutet das für den Endkonsumenten?
00:10:33: Naja, also wenn es so weit kommt, wenn es tatsächlich so weit kommt, dass wir das alles
00:10:37: in Form von Öl und Gas einkaufen, wovon ich jetzt nicht überzeugt bin, dann hieße das
00:10:42: natürlich auch deutlich höhere Endkundenpreise, keine Frage, das ist nicht nur für die relevant,
00:10:47: die jetzt noch mit Gas heizen oder kochen, sondern auch für alle Stromkunden, weil in
00:10:52: den kommenden Jahren Gas der entscheidende Kostenfaktor für die Strompreise in Europa
00:10:58: sein wird.
00:10:59: Aber bevor jetzt alle nervös werden, habe ich auch eine schöne aktuelle Studie gefunden
00:11:05: von Oxford Economics, die ein bisschen eine freundlichere Zukunft zeichnen und zwar haben
00:11:11: sich die angesehen, wie sich eben die LNG Produktionskapazitäten in den kommenden Jahren
00:11:16: entwickeln werden und da ist eben ein Ausbau von etwa 70 Prozent bis 2030 geplant und das
00:11:23: so die Forscher hieße, dass gegen Ende der Dekade viel, viel mehr Flüssiggas am Markt
00:11:29: sein wird, als gebraucht wird und dann würden zumindest die Preise um etwa 30 Prozent sinken.
00:11:34: Und es gibt viel mehr Flüssiggas, als eigentlich gebraucht wird?
00:11:38: Und es gibt viel mehr Flüssiggas, als eigentlich gebraucht wird.
00:11:40: Kommen wir einmal noch kurz zurück zu diesem Deal, du hast vorhin schon angesprochen,
00:11:44: dass er eben in ganz vielen Detailausführungen jetzt noch gar nicht so konkret vorliegt und
00:11:49: sich das erst weisen wird, wie das genau umgesetzt wird, soll heißt mit diesem Abkommen ist
00:11:55: eigentlich die ganze Sache noch nicht vom Tisch.
00:11:58: Nein vom Tisch ist glaube ich, würde ich jetzt mal sagen, so lang Donald Trump West-Präsident
00:12:03: ist eigentlich nie irgendwas.
00:12:05: Was wir haben ist ein Rahmen, wir haben ein paar hohe Zahlen, die niemand so wirklich
00:12:10: glaubt.
00:12:11: Aber Europa ist natürlich nicht gefallt davor, dass Donald Trump in einem Jahr den Taschenrechner
00:12:17: zückt und schaut, wo sind meine 52 Milliarden Dollar, die ihr mir überweisen wolltet und
00:12:22: wenn ihm das nicht gefällt, sagt ihr müsst leider nochmal zurückkommen und neu verhandeln.
00:12:26: Matthias, vielen Dank.
00:12:27: Danke dir.
00:12:28: Und alles rund um den ausverhandelten Deal und seine Folgen, speziell auch seine Klima
00:12:35: und energipolitischen Folgen, finden Sie in den Show-Nots zum Nachlesen.
00:12:39: Für heute sage ich vielen Dank fürs Zuhören und dranbleiben, bis zum nächsten Mal.
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