Humanitäre Lage in Gaza: „Es zählt hier wirklich jeder Tag“

Shownotes

Von Christine Mayrhofer. Israels Minister Itamar Ben-Gvir provoziert mit einem Gebet auf dem Tempelberg, die Hamas sabotiert mit Propagandavideos die laufenden Verhandlungen über ein Waffenstillstandsabkommen: Am vergangenen Wochenende scheint man von einem Abkommen genauso weit entfernt wie zuvor.

Dabei zählt jeder Tag für die etwa 20 noch lebenden Geiseln in der Gewalt der Hamas und für die rund 2,1 Millionen Palästinenser und Palästinenserinnen, die im abgeriegelten Gazastreifen nach wie vor ohne ausreichende Lebensmittel, medizinische Versorgung oder funktionierende Infrastruktur ausharren und um ihr Leben fürchten müssen.

Israel hat bis vor Kurzem keine Einfuhr von Hilfsgüter in den abgeriegtelten Gazastreifen erlaubt. Über 100 Hilfsorganisationen, darunter Oxfam, Save the Children und Ärzte ohne Grenzen warnten deswegen, trotz zuletzt wieder zugelassener Hilfslieferungen, vor dem Erreichen eines Kipppunkts und einer Massenhungersnot. „Wir können nicht einmal mehr eine Mahlzeit pro Tag pro Patient oder Patientin zur Verfügung stellen“, gibt Laura Leyser, Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen Österreich, in dieser Folge Einblick in die Arbeit der Organisation vor Ort. Sie erklärt, welche Langzeitfolgen Hunger haben kann und wo sie die österreichische Regierung gefordert sieht, Hilfe zu leisten.

**Gast: **Laura Leyser, Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen Österreich Host: Christine Mayrhofer Schnitt: Audiofunnel/Dominik Lanterdinger

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00:00:00: Auch dieses Wochenende scheint man im Nahen Osten von einem Waffenstillstandsabkommen

00:00:14: weit entfernt.

00:00:15: Während der rechtsextreme israelische Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Guir,

00:00:21: mit einem Gebet am Jerusalemer Tempelberg provoziert, schockieren Bilder aus Propagandavideos

00:00:27: der Hamas die abgemagerte israelische Geiseln zeigen.

00:00:31: Mein Name ist Christine Meyerhofer und das ist was wichtig ist, der tägliche Nachrichtenpodcast

00:00:38: der Presse.

00:00:40: Dabei würde jeder Tag zählen, nicht nur für die etwa 20 noch lebenden Geiseln, sondern

00:00:46: auch für 2,1 Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser, die weiter im abgeriegelten

00:00:51: Gaserstreifen ohne ausreichende Lebensmittel und medizinische Versorgung ohne funktionierende

00:00:57: Infrastruktur ausharren und um ihr Leben fürchten müssen.

00:01:02: Israel hat bis vor kurzem keine Einfuhr von Hilfskütern in den abgeriegelten Gaserstreifen

00:01:07: erlaubt.

00:01:08: Humanitäre Organisationen wie Oxfam, Save the Children oder Ärzte ohne Grenzen warnen

00:01:14: trotz zuletzt teilweise wieder zugelassener Hilfslieferungen vor dem Erreichen eines

00:01:19: Kipppunkts und einer massen Homersnot.

00:01:23: Und im Studio zu Gast ist heute bei mir Laura Leiser, die Geschäftsführerin von Ärzte ohne

00:01:30: Grenzen Österreich.

00:01:31: Guten Tag.

00:01:32: Guten Tag.

00:01:33: Frau Leiser, Ärzte ohne Grenzen ist schon seit vielen Jahren im Gaserstreifen in Einsatz.

00:01:37: Geben Sie uns einmal Einblick, wie sie hat sich dieser Einsatz seit dem Oktober 2023 verändert.

00:01:43: Ärzte ohne Grenzen, wie Sie gesagt haben, ist schon seit langem in den palästinänischen

00:01:47: Gebieten, sowohl im Gaserstreifen als auch im Westjordanland, im Einsatz seit 1989.

00:01:52: Und natürlich hat sich unser Einsatz im Gaserstreifen massiv verändert seit eben der Eskalation

00:01:58: des Konfliktes.

00:01:59: Das heißt, wir haben unsere regulären Projekte, die wir im ganzen Gaserstreifen gehabt haben,

00:02:04: eigentlich von einen Tag auf den anderen aufhören müssen und anpassen müssen und sind seitdem

00:02:10: eigentlich, sage ich mal, in einer ständigen Phase des Reagierens und so gut wie möglich

00:02:16: mit sehr, sehr wenig zu arbeiten.

00:02:19: Also wir haben gerade um die 950 lokale Kolleginnen und Kollegen vor Ort, um die 34 internationale

00:02:27: Kolleginnen und Kollegen und versuchen trotz der, sage ich mal, sehr herausfordernden

00:02:32: Umstände mehrere Kliniken selber zu betreiben, auch Feldspitäler und eben andere zu unterstützen

00:02:39: im ganzen Gaserstreifen, so gut wie es irgendwie geht.

00:02:41: Das heißt, das ist eine Mischung aus Zusammenarbeit mit Gesundheitsinstitutionen und Infrastruktur

00:02:47: vor Ort und auch eigenen Strukturen?

00:02:50: Genau, so arbeiten wir meistens weltweit.

00:02:53: Je nachdem was wir vorfinden, aber es ist oft eben so eine Mischung, genauso ist es dort

00:02:57: vor Ort auch, wobei man sagen muss, das wird jetzt in der Zeit eben seit Oktober 23 schon

00:03:03: 18 Gesundheitseinrichtungen evakuieren haben müssen und dann eben unter anderem auch zwei

00:03:09: Feldspitäler aufgebaut haben, die wir betreiben und so einfach sehr, sehr flexibel sein müssen

00:03:15: mit unserer Arbeit, die wir dort vor Ort machen.

00:03:18: Inwieweit sind eigentlich Medikamente oder andere medizinische Güter, die sie für ihre

00:03:23: Arbeit bräuchten, vorhanden?

00:03:25: Es sind eine absolute Mangelware und zwar schon seit vielen, vielen Monaten und es wird eigentlich

00:03:30: jeden Tag schlimmer, was dazu führt, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in die medizinischen

00:03:36: Einrichtungen mittlerweile, sag ich mal, Behandlungen entweder gar nicht durchführen können oder

00:03:40: zum Beispiel auch chirurgische Eingriffe durchführen müssen, ohne ausreichenden Medikation, also

00:03:47: ohne ausreichende Zitierung, schmerzhafte Eingriffe, wir haben ja beruhend auch auf unseren Daten,

00:03:52: wir haben ja mittlerweile hunderttausende Patientinnen und Patientendaten von den letzten Monaten

00:03:57: und die zeigen ganz eindeutig, dass zum Beispiel sehr viele von den Verletzungen über 85 Prozent

00:04:02: von Explosivwaffen herkommen, das heißt Bomben, Granaten usw. und ein Drittel davon sind Kinder

00:04:09: und ein Drittel davon sind Frauen von den Patientinnen, Patienten, die wir behandeln und jetzt können

00:04:14: sich vorstellen, so schwierige, schlimme Verletzungen und oft dann keine Schmerzmittel, zum Beispiel

00:04:19: bei der Behandlung oder Zitierung, das heißt, ja, es kommen wirklich alle an ihre Grenzen.

00:04:24: Nach Angaben des Welternährungsprogramms lebt inzwischen ein Viertel der Bevölkerung

00:04:28: unter hungernotähnlichen Bedingungen, unter anderem hat ihre Organisation gemeinsam mit

00:04:33: vielen anderen Organisationen vor einer drohenden Massenhungersnut gewarnt, nach welchen Kriterien

00:04:39: werden Hungers- und Nahrungskrisen beurteilt und wie wird die Lage in Gaser aktuell eingestuft?

00:04:45: Da gibt es ganz genaue, unabhängige wissenschaftliche Kriterien, wie das beurteilt wird, von einem

00:04:50: internationalen Institut auch, was wir immer machen, das ist jetzt nicht nur im Gaserstreifen

00:04:54: so, sondern generell in unseren weltweiten Einsätzen. Wir haben ein kleines Band, das

00:05:00: den Umfang vom mittleren Oberarm misst, bei Kindern unter fünf vor allem und je nachdem,

00:05:06: ob es dann grün, gelb oder rot anzeigt, wissen wir, wie schwer Mangel ernährt das Kind eben

00:05:12: ist oder auch nicht. Das ist eine sehr einfache, aber sehr wirksame Methode, die wissenschaftlich

00:05:17: bewiesen ist. Und es ist so, dass bei den Patientinnen, Patienten, die in unseren Gesundheitseinrichtungen

00:05:23: zurzeit sind, wirklich ein Viertel der Kinder, mittlerweile ein gut Mangel ernährt ist, dass

00:05:30: sich diese Anzahl auch massiv vergrößert hat und wir da leider einen sehr negativen

00:05:35: Trend sehen. Das heißt, dass immer mehr Kinder Mangel ernährt sind, aber auch schwangere

00:05:39: Frauen. Das heißt, wir haben auch öfter Fälle, also es ist auch ungefähr ein Viertel

00:05:44: der schwangeren Frauen, die Mangel ernährt sind, und wir haben öfter Fälle, wo schwangere

00:05:48: Frauen z.B. im sechsten Monat nur mehr 40 Kilogramm wiegen. Ich glaube, jeder und jede, die selber

00:05:54: schon mal Kinder bekommen hat, weiß, dass das nicht gesund sein kann. Das führt natürlich

00:05:59: auch dazu, dass diese Frauen dann oft eine Frühgeburt haben. Das heißt, die Frühgeburtrate

00:06:06: steigt sehr und auch dafür sind wir natürlich dann fast nicht mehr ausgerüstet, frühgeborene

00:06:12: Kinder gut zu versorgen, was dazu führt, dass wir teilweise Brutkästen mit vier bis

00:06:16: fünf Kindern in unseren Spitälern haben, was natürlich medizinisch und absolut der Wahnsinn

00:06:20: ist. Und was mir auch immer, wenn ich ehrlich bin, sehr nahe geht, ist, dass viele Frauen,

00:06:26: die dann gebärn, selber so Mangel ernährt sind, dass sie nicht mehr stillen können.

00:06:30: Das heißt, sie produzieren keine Milch mehr, aber der Zugang zu Babymilch ist auch nicht

00:06:34: vorhanden, geschweige denn von hygienischen Voraussetzungen, um Babymilch anzurühren.

00:06:39: Das heißt, dass die kleinen, neugeborenen Babys eigentlich fast keine Chance haben auf

00:06:44: ein gesundes Leben. Welche Langzeitfolgen können denn solche Zustände haben?

00:06:50: Hunger hat massive Langzeitfolgen. Jetzt abgesehen davon, dass es im akuten Stadium einer Mangelernährung

00:06:56: dazu führt, dass man sehr viel Krankheitsanfälliger wird und sich das natürlich auch gegenseitig

00:07:00: verstärkt. Es gibt viele wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass Hunger vor

00:07:05: allem während der Kindheit Auswirkungen hat auf das Immunsystem für den Rest des Lebens.

00:07:10: Das heißt, das wird nie wieder so stark wie bei einem Menschen, der keine Mangelernährung

00:07:14: erlebt hat. Und natürlich hat es auch generell auf die körperliche, aber teilweise auch

00:07:18: auf die geistige Entwicklung Auswirkungen, nachdem wie schwer der Hunger war und wie

00:07:22: lange.

00:07:23: Inwieweit sind eigentlich auch Einsatzkräfte von Ärzte ohne Grenzen oder anderen humanitären

00:07:29: Organisationen vor Ort von diesen Einschränkungen betroffen?

00:07:32: Ja, wir sitzen da alle eigentlich im selben Boot mit den selben Herausforderungen. Es

00:07:37: ist so, dass wir versuchen, zum Beispiel in unseren Kliniken und unseren Gesundheitseinrichtungen

00:07:43: in Patientinnen und Patienten zumindest eine Mahlzeit pro Tag zur Verfügung zu stellen.

00:07:47: Und das ist jetzt keine ausgewogene Mahlzeit. Nein, das ist einmal ein bisschen Reis oder

00:07:51: ein bisschen Linsen oder so. Die bekommen wir durch Unterstützung auch von anderen Organisationen,

00:07:55: die vor Ort tätig sind. Aber selbst das geht sich nicht immer aus. Das heißt, wir können

00:07:59: nicht einmal mehr einen Mahlzeit pro Patient, Patientin pro Tag zur Verfügung stellen.

00:08:04: Das muss man sich vorstellen, dass diese Menschen eben oft schwere Verletzungen haben oder schwere

00:08:09: Verbrennungen und dass das eigentlich den kalorischen Bedarf noch mal massiv erhöht.

00:08:13: Das heißt, die bräuchten eigentlich sehr dringend mehr und ausgewogeneres Essen als sonst

00:08:18: normalerweise auch noch. Und natürlich, wenn wir auch unseren Patientinnen und Patienten

00:08:22: kein Nahrungsmittel zur Verfügung stellen können, ist das bei unseren Einsatzkräften

00:08:26: genauso. Das heißt, es ist leider mittlerweile Gang und Gebe, dass viele eben allerhöchstens

00:08:30: eine Mahlzeit pro Tag haben, manchmal auch tagelang keine. Auch die Familien, die natürlich

00:08:36: dort sind von ihnen. Und das hat große Auswirkungen und ich sage mal, sie versuchen trotzdem ihr

00:08:42: Bestes zu geben unter diesen sehr, sehr schwierigen Bedingungen, die sie auch selber haben.

00:08:47: Unter anderem, Ärzte ohne Grenzen, kritisiert die GASA Humanitarian Foundation massiv. Also

00:08:53: das ist jener Privatstiftung, die in den letzten Monaten von der israelischen Regierung damit

00:08:58: beauftragt wurde, humanitäre Hilfsküter im GASA Streifen zu verteilen. Unter anderem

00:09:03: deswegen, weil sie nicht nach humanitären Prinzipien arbeiten. Was sind diese humanitären

00:09:08: Prinzipien und was bedeutet das in der Praxis für humanitäre Hilfe?

00:09:12: Die humanitären Prinzipien sind eigentlich die Grundlage, wie wir als humanitäre Organisation

00:09:17: arbeiten können oder andere humanitäre Organisationen auch. Da geht es eigentlich darum, dass wir

00:09:22: unabhängig neutral und unperteisch arbeiten. Das heißt, dass wir wirklich nach Bedarf helfen

00:09:27: und selber entscheiden, wo der Bedarf ist und quasi dort helfen, wo der Bedarf am allergrößten

00:09:32: ist und keinen Unterschied machen, wer denn diesen Bedarf hat. Und das ist mit der eben

00:09:37: von Ihnen genannten GASA Humanitarian Foundation ja in keiner Weise der Fall. Es ist so, dass

00:09:43: es da verschiedene Zentren gibt, die im GASA Streifen sind, teilweise sogar in sogenannten

00:09:48: Speer- und Evakuierungszonen, wo Menschen eigentlich gar nicht sein dürften und wo es

00:09:52: noch gefährlicher ist, als in den 12 Prozent, die unter Anführungszeichen noch sicher sind,

00:09:58: obwohl dort auch regelmäßig Angriffe stattfinden. Das heißt, die Menschen müssten einmal in

00:10:03: diese Speer-Zonen kommen. Dann kann man sich vorstellen, dass ja niemand, der schwächer

00:10:08: ist, das tun kann. Das heißt, kranke Menschen, alte Menschen, Kinder, teilweise auch Frauen

00:10:15: haben eigentlich überhaupt keine Chance, dort überhaupt hinzugehen, um eben Nahrungsmittelunterstützung

00:10:19: zu bekommen. Das heißt, es werden vor allem Männer hingeschickt, wenn eine Familie überhaupt

00:10:23: noch einen gesunden Mann hat, um dort hinzuschicken. Die Menschen, soweit wir wissen, stehen dort

00:10:29: dann teilweise stundenlang auf Hoffnung, dass sie Nahrungsmittelhilfe bekommen und sehr

00:10:35: viele bekommen keine. Beziehungsweise kommt das auch fast jedes Mal anscheinend zu gewalttätigen

00:10:40: Ausschreitungen, die dazu führen, dass es viele Verletzte gibt und eben auch viele getötete

00:10:45: Menschen, die sich eigentlich nur um Essen anstellen für ihre Familie. Und es ist mittlerweile

00:10:49: ist so schlimm, dass unsere Gesundheitszentren, die in der Nähe von diesen Verteilzentren

00:10:54: sind, ihren Personalplan daraus ausrichten, ob Verteilungen stattfinden oder nicht, weil

00:11:00: wir davon ausgehen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit, dass es nachher zu Massenverletzten kommt,

00:11:06: an einem Stand von Massenverletzten in unseren Kliniken.

00:11:09: Aktuell lässt die israelische Regierung Hilfslieferungen in kleinem Ausmaß wieder in den Gasserstreifen

00:11:16: an die 200 Lkw-Ladungen pro Tag nach manchen Angaben, kann diese Menge in irgendeiner Weise

00:11:22: etwas ausrichten, die Situation verbessern?

00:11:24: Also das Ganze ist der berühmte Tropfen aus dem heißen Stein, man muss sich vorstellen,

00:11:30: dass vor der Blockade um die 500 Lkw's jeden Tag in den Gasserstreifen reingekommen sind.

00:11:36: Es muss man sich dazu vorstellen, dass der Gasserstreifen ja abgeregelt ist und sonst

00:11:39: keinen Zugang hat und mittlerweile ja auch sämtliche Infrastruktur zerstört ist, das

00:11:44: halt auch das bisschen was vorher vielleicht selbst produziert wurde oder das weiter nicht

00:11:48: mehr möglich ist.

00:11:49: Und eben aufgrund von einer ja wochenmonatelangen Blockade eigentlich die gesamte Bevölkerung

00:11:56: mittlerweile manglernärzt ist, das heißt es ist ein unglaublicher Bedarf, da es fehlt

00:12:00: an allen Nahrungsmitteln, sauberen Trinkwasser, Medikamente, wie wir vorgesprochen haben,

00:12:05: aber zum Beispiel auch Treibstoff, und warum ist Treibstoff so wichtig, weil das die einzige

00:12:09: Möglichkeit ist dort mittlerweile Strom zu generieren, das heißt, der Strom, die Strom

00:12:13: zuvor wurde gekappt, die ganzen Solaranlagen wurden zerstört, das heißt man braucht Generatoren

00:12:18: am Strom zu generieren, was natürlich für zum Beispiel den Betrieb von Intensivstationen

00:12:22: oder eben auch von Neugeborenen Stationen ganz ganz wichtig ist und wir hatten jetzt

00:12:27: auch schon leider immer wieder den Fall, dass wir kein Strom mehr hatten und das dann abdrehen

00:12:30: mussten und auch wirklich Kinder, die sonst überlebt hätten gestorben sind.

00:12:34: Das heißt, es wird durch dieses Tröpfchenweise reinlassen, eigentlich das Problem per se nicht

00:12:39: gelöst, es kommt viel zu wenig rein, die Menschen bräuchten sehr viel mehr, eigentlich jetzt

00:12:43: genau ungehinderten Zugang zu humanitären Hilfe und wir sehen, dass sich das Ganze einem

00:12:48: ganz gefährlichen Kipppunkt nähert, das heißt, Hunger ist etwas, das entwickelt sich langsam,

00:12:53: aber wenn es einen gewissen Kipppunkt der Mangelernährung erreicht, kann das natürlich auch wirklich

00:12:58: dann zum Massensterben führen und das ist etwas, das durch diese derzeitigen, ja 200

00:13:04: oder wie auch immer Lkws pro Tag nicht ausreichend verbessert wird.

00:13:10: Da gibt es außerdem dann auch Berichte etwa von der UNO, dass die Verteilung dieser

00:13:14: wenigen Güter extrem schlecht funktioniert, dass etwa zu Blünderungen kommt oder Güter

00:13:19: dann auf dem Schwarzmarkt landen, wie könnten solche Entwicklungen vermieden werden?

00:13:24: Das ist ganz einfach, indem man die Grenzen öffnet, dass es eine politische Entscheidung

00:13:27: und einfach ausreichend Hilfe zulässt und man muss sich vorstellen, dass diese Menschen

00:13:31: wirklich verzweifelt sind, wir haben ganz oft Eltern bei uns in den Kliniken, die wirklich

00:13:36: Herz zerreißen, darum bitten, dass wir Essen für ihre Kinder haben, dass wir aber auch

00:13:39: nicht haben und natürlich, wenn dann was reinkommt, ist die Verzweiflung so groß, dass jeder

00:13:44: versucht sich was zu schnappen, was auch irgendwie geht.

00:13:47: Besonders, ja, eigentlich zynisch sehen wir auch den Abwurf, also per Luft von Hilfskütern,

00:13:54: warum?

00:13:55: Ah, weil da viel weniger abgeworfen werden kann, als eben über Lkws eingeführt werden

00:13:59: kann und noch dazu, auch hier muss man sich wieder vorstellen, es sind mittlerweile nur

00:14:04: mehr zwölf Prozent eben des Gaserstreifens als sichere Zone deklariert, das sind Unmengen

00:14:09: an Menschen auf engstem Raum zusammengedrängt, werden die Hilfsküter dort abgeworfen, gibt's

00:14:14: mit sichere Wahrscheinlichkeit Verletzte, es gab auch schon einmal diese Versuche, da

00:14:19: gab es sogar Todesopfer damals vor ein paar Monaten, oder sie wären außerhalb dieser

00:14:25: sicheren Zone abgeworfen, das heißt, dass sich dann die Menschen wieder in Gefahr begeben

00:14:29: müssen, dort hinzukommen und eben in die sogenannten Sperrzonen eindringen zu müssen,

00:14:34: um Zugang zu Nahrungsmitteln zu haben.

00:14:37: Was wäre denn notwendig, um den bisher angerichteten gesundheitlichen Schaden abzuwenden bzw. wieder

00:14:44: gut zu machen?

00:14:45: Wie gesagt, manche Dinge haben wirklich Langzeitfolgen, aber um Schlimmeres zu verhindern, wäre

00:14:50: es eigentlich sehr, sehr dringend notwendig, dass man wirklich ausreichend humanitäre

00:14:54: Hilfe zulässt und vor allem auch Zugang zu den Menschen bekommt, das heißt, im Endeffekt

00:14:59: geht es darum, endlich einen Waffenstillstand durchzusetzen und einzuhalten, ungehinderte

00:15:06: humanitäre Hilfe auch zu den Menschen, die sie am dringendsten brauchen, zuzulassen und

00:15:12: ja, hier einfach so schnell wie möglich zu helfen und das soll jetzt gar nicht polemisch

00:15:16: klingen, aber es zählt hier wirklich jeder Tag, weil eben die Auswirkungen von schwerer

00:15:20: Mangeernährung nicht mehr so leichtrückgängig zu machen sind.

00:15:24: Rundum die Berichterstattung über den Hunger werden jetzt auch Debatten geführt, also

00:15:29: mehrere Bilder von Hunger leidenden Kindern sind durch internationale Medien gegangen,

00:15:34: etwa ein Beispiel, das Bild des 18-monate-alten Mohammed Al-Mathuk, später wurden dann Vorwürfe

00:15:40: laut, diese Kinder hätten chronische Erkrankungen, Bilder von ihnen als Bebilderung für den

00:15:45: Hunger zu verwenden sei irreführend.

00:15:47: Können nur gesunde Menschen Hunger leiden?

00:15:49: Nein, natürlich nicht, im Gegenteil, oft trifft es kranke Menschen noch sehr viel härter,

00:15:54: oft ist es ja auch ein Kreislauf, ein negativer, ein teufelskreis eigentlich, in dem vor allem

00:15:59: Kinder reinkommen.

00:16:00: Man muss sich vorstellen, dass, ich habe es vorher erwähnt, zum Beispiel kaum mehr Zugang

00:16:03: zu sauberen Trinkwasser herrscht im Gaserstreifen, was dazu führt, dass sehr, sehr viele Kinder

00:16:09: an Durchvollerkrankungen leiden.

00:16:10: Natürlich, wenn ich jetzt schon Mange nähert bin und dann auch noch eine Durchvollerkrankung

00:16:14: hat, dann spitzt sich das Problem natürlich umso mehr zu und ich brauche eigentlich umso

00:16:18: mehr gute, gesunde, ausreichende Nahrung, um das wieder wettmachen zu können.

00:16:23: Und wie schon vorher gesagt, Menschen, die verletzt sind, Menschen, die krank sind, haben

00:16:27: eigentlich auch besonders hohe Bedarf an Kalorien zuvor.

00:16:30: Das heißt, gerade kranke Menschen, gerade schwache Menschen haben noch einen höheren

00:16:35: Bedarf an Kalorien oft, aber ja, wir sehen eben mittlerweile auch und das wirklich mit

00:16:40: unseren eigenen Augen, wie gesagt, wir haben sehr, sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

00:16:44: vor Ort, auch internationale Kolleginnen und Kollegen, die sehr erfahren sind, die schon

00:16:48: weltweit in vielen Einsätzen waren und die alle schlagen wirklich alarm, was die Situation

00:16:53: vor Ort betrifft.

00:16:54: Als jemand, der sich beruflich der humanitären Hilfe verschrieben hat, wie beobachten Sie

00:16:58: dann solche medialen Diskussionen?

00:17:00: Wenn ich ehrlich bin und das ist eine sehr persönliche Antwort, geht mir das sehr nahe,

00:17:05: weil ich den Eindruck habe, dass da sehr viel Polemik dahinter steht und eigentlich das

00:17:10: Schicksal von Menschen politisch verwendet wird, um Druck aufzubauen, beziehungsweise

00:17:15: eben um zu verhindern, dass geholfen wird und wenn ich dann Berichte eben von meinen

00:17:20: Kolleginnen und Kollegen vor Ort kriege, die ja, ich bin selber Mutter von zwei Kindern,

00:17:25: wenn ich dann höre, dass Kinder in unseren Kliniken sind, wir leisten eben kirurgischer

00:17:30: Hilfe und eben Kinderheilkunden, gebotene Hilfe, auch psychologische, psychosoziale Unterstützung,

00:17:36: was unglaublich wichtig ist, nachdem die Menschen auch so unter Druck stehen und wenn dann

00:17:40: Kinder, die bei uns sind, sagen, sie wollen eigentlich einfach nur mehr sterben, weil

00:17:43: im Himmel gibt es keinen Hunger, dann geht das schon sehr nahe und ja, das frustriert

00:17:48: schon sehr.

00:17:49: Er hat so eine Grenzen, fordert die österreichische Regierung auf, wirksame Druck auf die israelische

00:17:54: Regierung auszuüben.

00:17:55: Jetzt hat Österreichs Außenministerin Bertha Meindl Reisinger vor etwa zwei Wochen einen

00:17:59: gemeinsamen Brief von 29 Ländern unterzeichnet, der eben ein Ende des Kriegs im Glaserstreifen

00:18:05: mehr humanitäre Hilfe und die Freilassung der Geiseln fordert.

00:18:08: Ist das aus Ihrer Sicht ausreichend?

00:18:11: Also wir sind sehr froh, dass die Frau Außenministerin das getan hat, das ist ein sehr wichtiger

00:18:16: erster Schritt, nur wie gesagt läuft uns die Zeit davon, jetzt von Rhetorik, also von Worten

00:18:21: auch wirklich zu Handlungen zu kommen und genau da fordern wir aber auch andere Organisationen

00:18:26: die österreichische Regierung ganz klar auf, endlich auch Handlungen zu setzen, das heißt

00:18:30: wirklich alles in ihrer zur Verfügung stehenden Macht zu tun, damit sich was verändert, das

00:18:35: ist bilateral, es ist natürlich über die EU, das kann in den Vereinten Nationen sein, das

00:18:40: heißt hier wirklich auch eine Veränderung zu bewegen und es wäre eigentlich ganz

00:18:45: einfach, es geht um die Einhaltung des internationalen humanitären Völkerrechts, den wir uns alle

00:18:50: verpflichtet haben.

00:18:51: Es geht darum, dass Menschen gestützt, geschützt werden, Zivilisten, Zivilisten, dass eben

00:18:55: Kliniken, Krankenhäuser nicht angegriffen werden, was der sehr oft auch der Fall ist

00:18:59: und dass eben uneingeschränkt humanitäre Hilfe auch zulässig ist.

00:19:03: Ist die österreichische Regierung auch gefordert, aktiv Hilfe zu leisten?

00:19:07: Also ganz konkret geht es, unserer Meinung nach zum Beispiel auch darum medizinische Evaluierungen

00:19:11: zu unterstützen, es ist so, dass es eben aufgrund der Umstände im Glaserstreifen mittlerweile

00:19:17: tausende schwer verletzte und auch schwer kranke Menschen gibt, auch sehr, sehr viele Kinder

00:19:22: und hier fordern wir zum Beispiel, dass auch die österreichische Bundesregierung und medizinische

00:19:25: Evaluierungen zum Beispiel dieser Kinder unterstützt und aktiv in Österreich behandelt.

00:19:31: Ärzte ohne Grenzen wirft der israelischen Regierung, wie das auch andere humanitäre

00:19:35: Organisationen und auch Völkerrechtsexperten und einige Genozidforscher tun, vor Genozid

00:19:41: zu begehen.

00:19:42: Was lässt Ärzte ohne Grenzen zu dieser Schlussfolgerung kommen?

00:19:45: Also das ist wirklich kein Begriff, denn wir leichtfertig benutzen, wir sind natürlich

00:19:49: auch keine rechtliche Organisation, aber was wir sagen ist, dass das, was wir jetzt über

00:19:55: bald sind, sind leider zwei Jahre nicht, was wir dort wirklich vor Ort beobachten, wo

00:20:01: Zivilistinnen und Zivilisten nicht geschützt werden, wo humanitäre Hilfe nicht zugelassen

00:20:05: wird, wo gezielt zivile Infrastruktur zerstört wird, so dass die Menschen eigentlich kaum

00:20:10: mehr überleben können, wo es eben kein Wasser mehr gibt, man selber nichts mehr produzieren

00:20:13: kann etc., wo Gesundheitseinrichtungen regelmäßig angegriffen wird, lauter WHO, ist es ja auch

00:20:20: so, dass das der tödlichste Konflikt bis jetzt für humanitäre Helferinnen, Helfer

00:20:25: ist, wo über 480 davon schon getötet wurden, auch zwölf Mitarbeitende von uns, das sind

00:20:31: alles Taten, die leider für den Bestand eines Genozids auch wirklich sprechen.

00:20:35: Jetzt haben sich erst dieses Wochenende Familienmitglieder von Geißeln, die immer noch in

00:20:40: Gefangenschaft Der Hamas sind, zu Wort gemeldet und davon gesprochen, dass ihre Familien einen

00:20:45: zweiten Holocaust erleben, und zwar angesichts neuer veröffentlichter Videos, die zwei israelische

00:20:51: Geißeln in Gefangenschaft zeigen.

00:20:53: Was sagen sie diesen Familien und warum fordern sie nicht auch die Freilassung der Geißeln?

00:20:58: Natürlich ist eine Geißelname genauso gegen jegliches internationales humanitäres Völkerrecht

00:21:02: und wir fordern sehr wohl auch die Freilassung der Geißelname, das ist gar keine Frage.

00:21:06: Frau Leißer, vielen herzlichen Dank.

00:21:08: Danke.

00:21:09: Und während das Forum der Geißelfamilien Zitat ein umfassendes Abkommen, das den Krieg

00:21:16: beendet, fordert, scheint ein solches Abkommen, je mehr Zeit seit dem Oktober 2023, verstreicht,

00:21:23: weiter in die Ferne zurück.

00:21:24: Das war was wichtig ist am 4.

00:21:27: August, Redaktionsschluste heutigen Folge, Warum 16 Uhr.

00:21:31: Vielen Dank fürs Zuhören.

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