Mein Dorf: Die wechselhafte Beziehung zum Ort, aus dem wir kommen
Shownotes
Gast: Duygu Özkan, Antonia Barboric, Heide Rampetzreiter, Aloysius Widmann; „Die Presse“ Host: Christine Mayrhofer Interviews: Anna Wallner, Christine Mayrhofer Schnitt: Audiofunnel/Dominik Lanterdinger
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00:00:00: "Die Presse"
00:00:06: Ich brauche keinen Kürbli, ich brauche keinen Ring
00:00:11: Ich will zurück, ich bin da, ich bin da
00:00:16: Ich brauche nur das bisschen Geld
00:00:20: Für die Vordach für das Du hörst
00:00:24: Nicht jedem österreichischen Kaff wird gleich ein popkulturelles Denkmal gesetzt, wie dem steirischen Fürstenfeld.
00:00:35: Geschichten vom dort groß werden, vom in die Welt ziehen und anderswo reussieren, vom wieder oder eben nicht mehr heimkehren, die gibt's aber von jedem Ort.
00:00:47: Hallo, mein Name ist Christine Meyerhofer und das ist, was wichtig ist.
00:00:52: Meine Kollegin Duiko Öskan, selbst aus Hart im westlichen Vorarlberg, hat diese Woche in der Presse am Sonntag Stimmen innerhalb und außerhalb der Presse-Redaktion gesammelt, um einzufangen, wie die, die ausgezogen sind, später auf ihre Heimat blicken und ob und wieso sie zurückkehren.
00:01:13: Ein paar dieser Stimmen haben Anna Wallner und ich auch hier im Podcast zusammengetragen.
00:01:19: Sie erzählen von Abenteuern der Kindheit und von Naturerlebnissen, wie es sie in Wien einfach nicht gibt.
00:01:26: Sie erzählen auch von Lebenswegen und Arbeitsmöglichkeiten, von Familiengründungen und vom Bickenbleiben.
00:01:35: Mich selbst hat's aus einem gar nicht so kleinen Kaff im Mostviertel nach Wien verschlagen, aber weil meine Kollegin Anna Wallner Wienerin ist und also in Sachen ambivalenter Beziehung zum Heimatbundesland nicht so wirklich mitreden kann, habe ich sie gleich einmal auf Exkursion nach Westösterreich geschickt.
00:01:53: Sie hat den Vorarlberg Duiko Öskan getroffen und sich vor Ort selbst ein Bild gemacht, vom Leben in und zwischen den Bundesländern.
00:02:06: Hallo Duiko.
00:02:07: Hallo Anna.
00:02:08: Es ist total schön, dass ich dich in deiner Heimatgemeinde, in Hart, in Varlberg besuchen darf und wir sitzen hier gemeinsam in der Küche deiner Eltern oder deiner Mutter.
00:02:17: Genau. Und wie gefällt's dir bei uns?
00:02:19: Ja gut, gut. Ich bin vorher hier durch die Gegend marschiert und ich bin sehr begeistert. Wir haben natürlich auch ein Glück, weil es jetzt endlich schön ist und die Nähe zum See ist natürlich bezaubernd.
00:02:30: Auf jeden Fall.
00:02:31: Es hat ein Grund, dass wir hier sitzen. Wir haben in der vergangenen Sonntagsausgabe eine wahnsinnig schöne Geschichte gehabt über Heimatgemeinden und die Beziehung der Österreicher*innen zu ihrer Heimatgemeinde.
00:02:41: Wie die Christine schon gesagt hat im Intro, kann ich eigentlich gar nicht mitreden als Urwienerin, wie das so ist, wenn man wieder zurückkehrt.
00:02:48: Wie das ist, wenn man woanders einen Ankerpunkt hat, weil ich hab dieses zurück an einen Ort kommen nicht, wo vielleicht auch noch das Elternhaus steht oder sogar noch das Kinderzimmer, was ja manche haben.
00:02:59: Wie ist das bei dir? Wie oft kommst du zurück an diesen Ort?
00:03:03: Ich komme relativ oft zurück und zwar immer dann, wenn es möglich ist, auch längere Zeit am Stück hier zu bleiben, vor allem in der Urlaubszeit, über Weihnachten, in den Herbstferien, wann auch immer.
00:03:15: Das hat auch damit zu tun, dass ich nicht über das Wochenende nach Hause gehen kann. Also nach Hause in die Heimatgemeinde zurück, weil dafür ist die Fahrt einfach viel zu lange.
00:03:24: Misst es eigentlich hart, hat wie viele Einwohner?
00:03:28: Ungefähr 13.000.
00:03:30: Das heißt, das kennt dich nicht jeder hier, wenn du hier zurückkehrst auf der Straße ist?
00:03:34: Nein, ich kenne auch nicht alle, aber wenn man unterwegs ist im Dorf, also im Dorfzentrum, es ist ja kein wirkliches Dorf, sondern ein Marktgemeinde, aber es hat immer noch einen dörflichen Charakter trotz allem.
00:03:47: Und beim Einkaufen oder in der Bäckerei sieht man schon ein, zwei bekannte Gesichter jeden Morgen.
00:03:53: Österreich ist das Land der Länder, das wird einem eben immer bewusst, sobald man die Stadtgrenze Wien verlässt.
00:03:59: Wir sind ein relativ kleines Land, aber so ein föderales Land, kann man ruhig sagen.
00:04:04: Und da gibt es dann interessante Beobachtungen, zum Beispiel, dass die Österreicher im Verhältnis zu anderen Ländern sehr heimatverbunden sind oder sehr mit ihrer Heimatgemeinde verbunden sind.
00:04:14: Woher kommt das?
00:04:15: Ich habe mir dieselbe Frage gestellt. Und das ist natürlich historisch gewachsen. Also mit dem Zusammenbruch der Monarchie ist die Verwaltungsstruktur so dezentral geworden, dass wir jetzt diese föderalen Struktur haben.
00:04:28: Und das hat auch sehr viel mit der örtlichen Verwaltung zu tun, also mit der Verwaltung in den Bundesländern oder zum Beispiel mit den Bezirkshauptmannschaften, wie mir der Jurist Peter Wussjäger erklärt hat, der auch in meiner Geschichte vorkommt.
00:04:41: Und über die Verwaltung, zum Beispiel die Bezirkshauptmannschaften, die sehr viel Mitgestaltungsmöglichkeiten haben und die auch große Arbeitgeber sind, die örtliche Verwaltung, entsteht eine innere Beziehung zum eigenen Bundesland, als das im vergleichbaren Raum stattfindet, zum Beispiel in Deutschland oder in der Schweiz.
00:05:03: Und noch eine interessante Sache hat er mir erzählt, nämlich dass zum Beispiel in der Schweiz die Bundes geht, aber auch in Deutschland die Bundesgerichte oder Bundesinstitutionen sozusagen durchaus verteilt sind in den Bundesländern.
00:05:16: Und da ist es in Österreich anders. Also es gibt diese massive Zentralisierung in Wien, aber gleichzeitig auch diese massive Dezentralisierung in den Bundesländern.
00:05:26: Das sorgt dann dafür, dass diese Verbundenheit doch stärker ausgeprägt ist, also zum Beispiel in Deutschland und in der Schweiz, und das belegen offenbar auch Studien.
00:05:37: Wie ist denn da die aktuelle Lage? Wie viele Menschen verlassen die Bundesländer ihre Heimat und wie viele kehren auch wieder zurück?
00:05:44: Ja, das ist auch eine interessante Frage. Auch da gibt es Statistiken bzw. punktuelle Studien. Also was wir wissen, ist, dass wir heute mehr Binnen wandern als früher.
00:05:55: Und da sagt zum Beispiel die Statistik ausdreht, dass wir Mitte der 90er Jahre, Mitte der 90er Jahre sind ungefähr 71.600 Menschen innerhalb Österreichs umgezogen, also sind Binnen gewandert.
00:06:10: Und davon sind die meisten nach Wien und nach Niederösterreich. Ungefähr gleich viele Menschen sind nach Wien und nach Niederösterreich.
00:06:17: Und 2023 sind Binnen gewandert, 141.000 Menschen. Schon unterschiedlich.
00:06:25: Eine von diesen Binnen-Wanderinnen ist Antonia Barboric. Gewandert ist sie aus dem steirischen Fürstenfeld über die Presse-Redaktion in Wien ins zweckdienliche Niederösterreich.
00:06:40: Ich bin heutzutage natürlich sehr nostalgisch, wenn ich daran zurückdenke. Es hat irgendwie alles leichter gewirkt, langsamer. Natürlich als Kind, eine ganz andere Perspektive.
00:06:51: Aber ja, man hat Stadtleben gehabt, man hat Landleben gehabt, man hat Möglichkeiten gehabt. Ja, natürlich nicht alles. Kino hat es nie gegeben, wird es auch nie geben, anscheinend.
00:07:02: Aber ja, mir ist grundsätzlich nichts abgegangen. Man hat alle Wege mit Rad machen können.
00:07:09: Es war also keine, wie man sich das vielleicht vorstellen würde, abgehängte Jugend irgendwo in der Peripherie ohne Möglichkeiten?
00:07:17: In dem Alter noch nicht. Es kam dann erst viel später, nahezu derzeit, also zwischen, sag ich mal, bewusst 4, 5 Jahren und 15 Jahren war das einfach, man hat alle Möglichkeiten genutzt, die man hatte.
00:07:32: Und vielmehr hat man gebraucht und dank nicht vorhandenem Handy hat man halt einmal gewusst, was man versäumt, sozusagen.
00:07:39: Und im Sommer gab es das absolute Highlight, das Freiburg Fürstenfeld, das, wie ich dazu sagen darf, das größte in Europa ist, mittlerweile mit der längsten Rutsche.
00:07:49: Das hat es früher auch nicht gegeben, die sind auch nicht abgegangen. Aber 10 Meter Sprungdurm, also das war schon normaler Highlight.
00:07:56: Und da haben wir praktisch unser Sommer verbracht. Und wie jeder ist in Schwimmbad gegangen, jeder hat sich dort getroffen, man hat mein Rad runterfahren können, Berg hinunter von der Stadt.
00:08:05: Oder eben auch mein Auto, man hat sogar dort parken können, was so groß war. Und ja, das waren so die Sommer.
00:08:12: Und ich hab es eigentlich in Erinnerung meistens schön und warm, wahrscheinlich bei Weiten nicht so warm wie heute, aber immer angenehm.
00:08:19: Was hat dich denn Fürstenfeld trotz des Schwimmbad verlassen lassen?
00:08:25: Ja, man wächst, man wird erfahrener. Man macht seine Erfahrungen, ich hab nach meinem Ausland ja in Amerika in der 7. Klasse, Gymnasium, dann plötzlich gemerkt, die Welt ist größer.
00:08:37: Und dann waren das die letzten zwei Jahre in Fürstenfeld, die ich eigentlich nicht mehr abgesessen bin.
00:08:43: Und das letzte Jahr in der 8. Klasse war eigentlich nur mehr in Richtung Graz gerichtet und ich will raus aus Fürstenfeld, ich will studieren, ich bin jetzt schon erwachsen.
00:08:52: Und ja, da wartet was anderes auch noch.
00:08:55: Du wohnst heute wieder am Land, aber nicht in der Heimat?
00:08:59: Genau.
00:09:00: Wie das?
00:09:01: Ja, zuerst war eben nach Graz, Graz war mir irgendwann gefühlt zu klein, dann kam Unweigerlich Wien, das war spannend, neue Herausforderungen, neuer Job.
00:09:11: Und da war dann nach ein paar Jahren so richtig die Luft raus.
00:09:15: Und ich merkte, ich komme vom Land, zieht mich ins Grüne, ich bekomme in der Stadt die Jahreszeit nicht mehr mit, das ist traurig, da sind nicht mehr.
00:09:24: Das Getreidewachsensee und sogar der Grüne Brat, da war dann irgendwann zu wenig, wenn man irgendwie eingesperrt ist.
00:09:31: Und ja, es war natürlich auch die Liebe und so kam ich dann aufs Land nach Niederösterreich.
00:09:37: Natürlich auch wegen dem Job irgendwie näher und so gesehen passt das eh gut, nur wir haben halt leider sehr wenig Wald da draußen, nicht so schön hügelig wie in Fürstenfeld und Oststeuermark, das ist schon ein großer Unterschied.
00:09:50: Jedes Mal zurück heimfahren oder zurück in die Steuermark fahren ist gleich so ein Weg durch die Wälder gefühlt, über die Autobahn sieht man schon viel mehr grün die Hügel und ein ganz anderes Gefühl natürlich auch.
00:10:02: Und ich habe auch noch Freunde dort und war grundsätzlich gerne hin eben noch immer ins Schwimmbad.
00:10:07: Jetzt doch schon mit meiner Tochter, die es auch liebt und dass eben Halbsteiererin sich sehr ihrer steirischen Seite verbunden fühlt.
00:10:14: Und ja, so sind die auf jeden Fall Schwimmbad-Besuche mindestens zweimal im Jahr drinnen.
00:10:20: Von einer ebenfalls gar nicht so abgelegenen Kindheit und Jugend, wie ich mir das in Kärnten vorgestellt hätte, hat mir auch Heide Rampelzreiter aus dem Föhrtoderpresse berichtet.
00:10:33: Ich komme aus Kärnten, wie man wahrscheinlich auch noch hört, ich bin in einem kleinen Dorf zwischen Völkermarkt und Klagenfurt aufgewachsen, wo ungefähr 300 Menschen wohnen.
00:10:44: Ich bin jetzt nicht wirklich abgelegen, also in 20 Minuten ist mein Klagenfurt in einer Viertelstunde in Völkermarkt der Städtes an.
00:10:52: Und jetzt auch nicht so am Berg oder so, wo man dann eingeschneidt wird. Ich glaube, wir sind nie eingeschneidt worden.
00:10:58: Wie hast du deine Jugend dort erlebt? Gab es etwas? Was gab es?
00:11:04: Ich glaube, da muss man einen Unterschied machen zwischen der Kindheit und der Jugend. Die Jugend ist die Kindheit sehr idyllisch.
00:11:11: Da kann man rausgehen, da kann man spielen, kann man ins Maisfeld gehen und irgendwie in den Wald und Lager bauen.
00:11:17: Die Jugend war dann ein bisschen vader, damals hat es noch kein Internet geben, aber sicherer, also so städtische Gefahren war ich halt nicht ausgesetzt.
00:11:25: Wann und wie hat es sich dann nach Wien verschlagen?
00:11:29: Naja, nachdem ich Matura gemacht habe, war natürlich die Überlegung, wo ich hinstudieren. Klagenfurt war mir so nah, das ist irgendwie ausgeschieden.
00:11:38: Da hätte ich dann daheim gewohnt und wäre halt gebendelt. Es ist ja Fahrt.
00:11:42: Man will ja als Teenager dann irgendwann Flüge werden und ein eigenes Reich haben und dass die Mama nicht mehr weiß, wann man heim kommt.
00:11:50: Mein Bruder damals in Graz gelebt, aber ich wollte Publicistik studieren und meine Kursine war in Wien und hatte Publicistik studiert damals.
00:11:57: Und dann bin ich halt nach Wien gegangen. Da bin ich bickenblieben.
00:12:01: Kärnten ist ja das österreichische Bundesland mit dem geringsten Bevölkerungswachstum.
00:12:07: Ich habe schon öfter gehört, dass auch dort ganze Landstriche oder Täler irgendwie sozusagen wegsterben. Spürt man das in Kärnten?
00:12:16: Dort wo ich her bin, nicht. Also es ist jetzt nicht so, dass da ganze Dörfer leer stehen oder so.
00:12:21: Das Dorf, aus dem ich her bin, ist ein bisschen zu weit weg von Klagenfurt, um jetzt noch attraktiv zu sein für die Bändler und quasi ein Teil des Speckgürtels zu sein.
00:12:31: Weil der wächst ordentlich. Jedes Mal, wenn ich in Kärnten bin, strahne ich wie für neue Einfamilien.
00:12:36: Häuser dort gebaut werden. Aber man muss schon sagen, dass Dorf, was die mit bin, das ist schon
00:12:41: geschrumpft. Als ich Kind war, hat es dort keine Ahnung, 15, 20 Kinder geben, mit denen man spielen
00:12:48: hat, keinen. Jetzt gibt es halt ein paar. Damals hat es so ein Gasthaus geben, gibt es nicht mehr. Es
00:12:54: hat zwar Chöre geben, die gibt es nicht mehr. Also eine gewisse Überalterung spürt man schon.
00:12:59: Wie hast du heute gerne nach Kärntenhof besucht? Das war schon gesagt, du bist in
00:13:03: Wien-Bicken geblieben. Passt das so für dich oder siehst du dich manchmal auch leid? Im Sommer sehe
00:13:08: ich mich schon leid, wenn alle an den See gehen in Kärnten und mein Schwester mir Bilder vom
00:13:13: Wörtersee schickt. Ich fahre grundsätzlich gerne nach Kärnten. Es ist immer noch ein weiter Weg,
00:13:17: das habe ich irgendwie unterschätzt, wie ich noch mitgegangen bin. Ich habe immer gedacht,
00:13:21: der Sämmering-Basis-Tunnel, das wird ja schnell gebaut, bis ich mit dem Studium fertig bin,
00:13:25: flitze ich darunter durch den Korn im Tunnel auch. Es ist immer noch in weiter Ferne. Ich habe zwei
00:13:32: Kinder und die fahren wahnsinnig gerne nach Kärnten, natürlich auch in den Garten, zur Oma
00:13:36: und haben dort alle Möglichkeiten. Das ist quasi ein privaten Spielplatz und es ist schon sehr
00:13:43: entspannt. Es ist entschleunigend. Die Stille am Land, die Natur, die ist diesen toll. Die Natur
00:13:50: geht mir wirklich ab in Wien. Was wir von Umfragen auch wissen, ist, dass die Personen, die zurückkehren,
00:14:00: was sie so schätzen an ihrem Bundesland oder an ihrer alten Heimatgemeinde, da wird angegeben,
00:14:05: dass sie die hohe Lebensqualität schätzen, dass sie zum Beispiel auch die sozialen Bindungen,
00:14:10: die sie hatten oder haben, vermisst haben. Das kann Familie betreffen, aber auch Freunde,
00:14:16: bekannte Nachbarschaft und so weiter. Es ist tatsächlich so, wie du auch vorhin gesagt hast,
00:14:20: die Absicht zurückzukehren ist geringer, je länger die Person weg bleibt. Das heißt, die Personen,
00:14:27: die zum Beispiel, wie haben wir das zum Beispiel familiäre Bindungen erwähnt, die Personen,
00:14:31: die tatsächlich weg bleiben und Familie in der Stadt haben oder wo auch immer sie dann
00:14:36: hingezogen sind, irgendwo in ein urbanes Umfeld. Bei ihnen bleibt glaube ich schon so ein bisschen
00:14:42: eine Nostalgie hängen, dass sie ihren Kindern nicht das ermöglichen können, was sie selbst erlebt
00:14:47: haben, das Leben am Land. Ich kann das weder mit Zahlen noch mit Statistik belegen, aber wenn ich
00:14:53: mit meinen Freundinnen und Freunden über dieses Thema spreche, dann wird das sehr oft zur Sprache
00:14:58: gebracht. Wissen Sie es eigentlich mit dir? Wie oft denkst du darüber? Ich bin dieser Fall,
00:15:05: je länger man weg bleibt, desto geringer die Wahrscheinlichkeit zurückzukehren. Aber es gibt
00:15:10: und auch das belegen die Umfragen und ich glaube, ich bin so ein Fall, dass man sehr wohl darüber
00:15:15: nachdenkt, die Pension, also die Pension wieder zurück am Heimatort oder dort, wo man aufgewachsen
00:15:20: ist zu verbringen. Kannst du definieren, was dir am meisten abgeht? Ja, der See natürlich.
00:15:25: Einer, den es vielleicht noch vor der Pension wieder in die Heimat verschlagen könnte, ist mein
00:15:33: Kollege Louis Wittmann aus dem Wirtschaftsressort der Presse. Er ist in Oberbootsen in Südtirol groß
00:15:39: geworden und meiner Kollegin Anna Wallner hat er verraten, warum er heute anders auf seine Heimat
00:15:45: blickt als als Kind und warum die Sehnsucht zurückzukehren mit den Jahren größer wird.
00:15:51: Immer das war schön dort aufzuwachsen. Grün, gemütlich, man ist ein Berg auf 1.200 Meter,
00:15:58: das ist jetzt weniger hoch, es klingt, weil südlich das Alpen hauptkam, es ist das Klima etwas
00:16:03: wärmer. Die Seilbahn fährt nach Bootsen, man ist trotzdem Sessionell im Stadtzentrum. Bootsen ist
00:16:08: jetzt keine Großstadt, aber Glitzeklein ist es auch nicht, 100.000 Einwohner ungefähr. Es gibt
00:16:13: eine Schmarsputbahn, die ist ein Relikt der alter Zeiten, als noch keine Seilbahn da war, ist eine
00:16:18: Zahnradbahn raufgefahren, die fährt am Hochblatt auch noch zwischen den Dörfern hin und her und ja,
00:16:24: als Kind war es großartig, da gab es im Winter ein zugefordenen See zum Eishochgespielen, der
00:16:29: Fußballplatz war auch vereist zum Eishochgespielen, es war viel Platz, man kannte die Leute, man
00:16:34: konnte einfach auf die Straße gehen spielen mit dem Fahrrad fahren. Wann hast du dann aber deinen
00:16:38: Heimatort verlassen und wieso? Ich ging dann zum Studieren nach Wien, das war irgendwie immer klar,
00:16:45: meine Mama ist Wienerin, deshalb studieren wir auch immer klar aus einem sehr bildungsnahen
00:16:50: Haushalt und es ist dann schon irgendwann auch zu Hause Fahrt geworden, also es gibt so ein alter,
00:16:57: ich sage jetzt mal zwischen späten Teenager und Berufseintritt und vielleicht ein bisschen länger,
00:17:03: wo es dann in Südtirol vielleicht nicht so viel zu tun gibt, also man sieht halt die immer gleichen
00:17:09: Leute zu den immer gleichen Anlässen, wenn man nach fünf mal fortgehen, keine Partnerin,
00:17:14: keine Partner gefunden hat, dann glaubt man irgendwie, da gibt es niemanden für eine selbst,
00:17:18: weil man ja die immer gleichen Leute sieht, zukommt in Südtirol auch, dass seit des Zusammenleben der
00:17:23: Sprachgruppen funktioniert sehr gut, aber es fühlt sich kleiner als es ist, weil halt die Italiener
00:17:27: sehr viel unter Italienern bleiben und die Deutschsprachensituation auch unter den Deutschsprachen
00:17:32: und ja, wenn man dann auf Studienalter zugeht, dann sehnt man sich schon sehr auch nach einer etwas
00:17:37: größeren Welt an mehr Leben, mehr Freizeit, also Kultur und Freizeitangeboten vor allem, was
00:17:43: das heißt Nachtgastronomie jetzt weiter mit triffen. Wie oft kommst du denn heute eigentlich zurück in
00:17:49: deinen Heimatort? Ich versuche oft zu kommen, also je tiefer man im Berufsleben steckt und je tiefer
00:17:57: die Wurzen auch in Wien, in die Erde gehen jetzt auch mit Kindern, desto schwieriger wird es, weil
00:18:01: man halt schauen muss, dass es für alle Beteiligten auch gerade zeitlich passt, aber so zwei, drei,
00:18:08: vier mal im Jahr geht sich da meistens schon aus. Es ist ein bisschen zu weit für ein verlängertes
00:18:13: Wochenende, man sitzt halt dann doch sechs bis sieben Stunden im Auto, wenn man guten Verkehr hat
00:18:17: und mit dem Zug da ist noch ein bisschen länger, also man muss sich da schon ein bisschen freinehmen.
00:18:22: Jetzt hast du schon gesagt mit Familie, du bist Vater. Wie wichtig ist dir denn, dass deine
00:18:26: Kinder deinen Heimatort, dein Kaff von damals kennenlernen und dort auch mehr Zeit verbringen,
00:18:32: als vielleicht nur kurze Besucher bei der Familie? Also die Tatsache, dass es mein Kaffee ist,
00:18:37: ist da gar nicht so wichtig. Man merkt halt einfach erst, also als ich klein war, ich hab da vor von
00:18:42: Volksschulalter gesprochen, aber ein bisschen später bin ich mit der Schmalspuppe an zur
00:18:46: Mittelschule nach Klomstein gefahren, ein bisschen später noch mit der Seilbahn, die damals noch
00:18:50: nicht erneut worden ist und noch viel geringere Kapazität hat zur Schule nach Bozen und da waren
00:18:55: einfach, wenn es warm war, uneinlich viele Touristen. Also es kam vor, dass nach Schulende
00:19:00: sind wir zum Bahnhof gegangen und die Warte einfach so voll, dass wir auf die nächste Bahn
00:19:04: warten mussten, eine halbe Stunde verloren. Nicht so tragisch, man hatte halt Hunger, aber mit Freunden
00:19:08: ist man da halt gesessen, hat gewartet, aber da sind dann auch teilweise böse Korale in der Bahn
00:19:14: gesungen worden gegen die Touristen. Die will ich jetzt nicht wiederholen. Das Gleiche mit der
00:19:19: Seilbahn, man ist dann im Bozen zur Talstation gekommen und die Schlange war einfach so lang,
00:19:23: dass es dort dann wirklich eineinhalb Stunden manchmal gedauert hat, bis man dann endlich in
00:19:28: der Grundel saß, weil da sind die Reisebusse gekommen, die Leute sind ausgestiegen, in die
00:19:33: Seilbahn gestiegen, oben haben die Reisebusse die wieder abgeholt, weil es einfach wirklich,
00:19:37: wirklich schön, also besonders schön da ist, du schaust halt in die Dolomiten, Schleeren,
00:19:41: Latte, Marosengarten, du hast halt eben am Berg oben vor allem dieses wirklich angenehme Klima,
00:19:47: also wenn die Bozen in der Hitze brüten, dann sitzt du gemütlich am Abend mit kurzen Ärmeln
00:19:52: draußen. Unser Dorf ist ja entstanden, weil die reichen Bozen nach vor langer, langer Zeit
00:19:56: sich Sommerfrischhäuser dahingestellt haben. Weil es nochmal kühler war, doch. Genau. Und
00:20:02: auch diese Mischung aus mediterran und Alpine, es ist schon was Eigenes und das nimmst du als
00:20:07: Kinderleif überhaupt nicht da, es ist Selbstverständlichkeit. Ich habe einfach nicht verstanden
00:20:11: wollen, wieso Leute im Berg Urlaub machen, wieso die nicht ans Meer fahren oder eine riesengroße
00:20:16: Stadt. Ist es dann nicht auch besonders schräg, dass du damals als Kind diese Touristen gesehen
00:20:20: hast und jetzt kommen deine Kinder irgendwie auch als Touristen zurück an diesen Ort? Ja, so ganz
00:20:26: so ein bisschen Touristen sind sie schon, also die, glaube ich, die Mundarten meines Orts verstehen
00:20:30: sie nicht, aber die Kleine ist zu klein um überhaupt zu reden, aber der große, glaube ich, wäre
00:20:35: schon sehr überfordert, wenn man Dialekt mit ihm spricht. Insofern ja, man erkundet die Gegend auch
00:20:40: ein bisschen touristischer. Weshalb es nicht mit den Kindern stark nach wieder zurückzieht, ist halt
00:20:45: eben die Hohe Lebensqualität, es werden plötzlich andere Freizeitangebote, derens dort viel mehr
00:20:50: gibt, interessant, also du kannst halt wirklich tausende leichter bis mittelschwerer bis schwere
00:20:56: Veranderungen machen, es gibt so viele Sehnen, in die du reinhüpfen kannst, Almen, über die du
00:21:01: spazieren kannst, Hütten, bei denen du einkern kannst. Freizeitsportaktivitäten, es ist von
00:21:05: Venedig bis München, alles ist ein Tagesausflug in Wahrheit nur, auch ein Kultur, sind halt die
00:21:11: Sachen, die man dann eher macht mit Kindern als die nächste coole Bar ausprobieren. Stadt oder
00:21:18: Land je nach Lebensphase ist ein Modell, das nicht für alle passt. Manche erfüllt der Blick
00:21:25: zurück, auch mit Erleichterung, nämlich wenn das Fortgehen und nicht zurückkehren, sich auf Dauer
00:21:32: bewährt hat. Ich liebe Wien genauso wie ich meine Heimatgemeinde liebe, es ist kein gegeneinander
00:21:38: spielen und wenn ich in Wien bin, vermisse ich natürlich den See und die Ruhe hier und das
00:21:44: gleicht sich ungefähr aus, also ich vermisse schon Wien, wenn ich da bin und auch mein soziales
00:21:48: Umfeld in Wien natürlich, meine Freunde, Freundinnen, Arbeitskollegen, wenn ich hier Homeoffice mache,
00:21:52: aber das ist dann umgekehrt genauso. Ich glaube, dass das auch eine der größten Unterschiede ist
00:21:59: zwischen Menschen, die, egal wo sie jetzt hingezogen sind, auch ins Ausland zum Beispiel und von ihrem
00:22:05: Heimatort zu denen, die geblieben sind und da sind eben auch die Großstädter, die in der Hauptstadt
00:22:10: bleiben, so wie ich es bin, ist der Unterschied, ist einfach, dass dieser Sehnsucht einen begleitet
00:22:15: ab dem Zeitpunkt, wo man den Ort verlässt, nämlich wie du gerade schilderst in beide
00:22:19: Richtungen, egal wo man ist, man hat das Gefühl, das vermisse ich jetzt dort oder ich seh'n mich
00:22:24: dorthin und das kennen vielleicht Großstädter nicht so. Das aber auch dieses negative Empfinden
00:22:31: ist auch interessant finde ich. Ich habe zum Beispiel eine Freundin, sie ist aufgewachsen in den 70er
00:22:37: Jahren in einem Kaffhinder Steiermark und sie ist für das Studium nach Wien gezogen und lebt
00:22:43: seither in Wien und sie hat mir mal geschildert, dass sie dieses Leben in ihrem Dorf dermaßen
00:22:49: einengend gefunden hat, dass es für sie so ist. Jedes Mal, wenn sie zurückkommt, ihre Familie
00:22:55: besuchen, ihre sozialen Kontakte pflegen und so weiter, sie sich darin bestätigt fühlt, warum sie
00:23:00: weggezogen ist. Also vielleicht braucht man die Heimatgemeinde auch als Bestätigung dafür,
00:23:05: dass die Entscheidung, die man getroffen hat, richtig war. Was ich bestätigen kann ist, dass die Nähe
00:23:12: zwischen Stadt und Land größer geworden ist. Also die Bundesländer, also fangen wir nicht die
00:23:18: Bundesländer, sondern bleiben wir allgemein bei Stadt-Land, dass es in den vergangenen Jahrzehnten
00:23:23: näher gerückt nur ein Beispiel, als ich nach Wien gezogen bin, hat die Fahrt von Wien nach
00:23:28: Pregens acht Stunden zehn Minuten gedauert und jetzt sind es, und das ist heruntergetuned worden,
00:23:35: auf fast sieben. Es ist jetzt nicht so ein großer Unterschied, aber es macht schon einen symbolischen
00:23:40: Unterschied im Sinne von, dass diese Klischees, die man früher hatte, also die Vorarlberger über
00:23:47: Wien und die Wiener über Vorarlberg einfach so nicht mehr gelten, zumindest nicht für die
00:23:52: jüngeren Generationen. Wo sie herkommen, wie auch immer sie heute darauf blicken, ist Teil von
00:24:00: Lienen. Da sind sich Südtiroler, Vorarlbergerin, Steirerin und Kärntnerin einig. Natürlich ist es
00:24:09: Heimat unter Anführungszeichen, was auch immer das heißt. Wenn man mal sesshafter geworden ist,
00:24:14: ich glaube, dann kann man sich dort auch längerfristig sehr schön einrichten.
00:24:19: Ich bin ein Kärntnerin, das hört man. Kärnten hat mich geprägt. Ich fahre regelmäßig runter. Ich
00:24:25: habe Anbezug, ich habe Familie dort. Ob ich wieder mal dort länger leben werde, ist schwierig zu
00:24:32: sagen. Mein Job ist in Wien, mein Familie ist in Wien, mein Mann ist Wiener und den kriegt man
00:24:37: schwer aus der Stadt raus. Aber in der Pension können wir das schon vorstellen, dass man dann
00:24:42: die Sommer in Kärnten verbringt, gerade wenn es noch heißer wird.
00:24:46: Und falls Sie jetzt auch in Erinnerungen schwelgen oder Sie die Sehnsucht nach Ihrem Bundesland
00:24:54: gepackt hat, dann schreiben Sie uns gerne an podcast@diepresse.com. Wir freuen uns,
00:25:00: von Ihnen und Ihrem Kaff zu lesen. Danke fürs Zuhören, sagen Christina Meyerhofer und Anna
00:25:05: Weiner. Machen Sie es gut.
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