Wie viel „Schwarze Pädagogik“ steckt in SOS Kinderdorf?

Shownotes

Vertuschte Missbrauchsfälle an den Standorten Moosbrugg und Imst, Ermittlungen gegen einen ehemaligen Mitarbeiter am Standort Seekirchen: Seitdem der „Falter“ vor einigen Wochen erstmals berichtete, nehmen die Vorwürfe rund um die Organisation SOS Kinderdorf kein Ende. Erste Maßnahmen und eine Zwischenbilanz der Organisation lassen viele Fragen offen: Wie viel „Schwarze Pädagogik“ steht nach wie vor in der Ideologie der Organisation?

Sissy Rabl aus dem Chronik- Ressort der „Presse“ erklärt in dieser Folge, welches pädagogische Konzept hinter SOS Kinderdorf steht, ob die Angebote der Organisation heute noch zeitgemäß sind und ob das Schweigen über Missbrauchsfälle System hatte.

**Gast: **Sissy Rabl, „Die Presse“ Host: Christine Mayrhofer Schnitt: Audiofunnel/Dominik Lanterdinger

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Transkript anzeigen

00:00:05: Die Presse.

00:00:09: Missbrauch im SOS-Kinderdorf, Vertuschung der Vorfälle nach außen, schlechtes Krisenmanagement.

00:00:16: Seit einigen Wochen wird es nicht leise um die Organisation.

00:00:19: Mein Name ist Christine Meyerhofer und das ist was wichtig ist, der tägliche Nachrichten-Podcast der Presse.

00:00:26: Ein Bericht der Wochenzeitung Falter über Vorwürfe gegen das SOS Kinderdorf am Kärtner Standort Mosbruck hat Mitte September eine Missbrauchskauser ausgelöst.

00:00:37: Seither sind weitere Fälle bekannt geworden und die Organisation hat erste Maßnahmen gesetzt.

00:00:44: Ich habe mit Sissi Rabel aus dem Chronikressort der Presse darüber gesprochen, welches pädagogische Konzept eigentlich hinter SOS Kinderdorf steht, wie sich die Organisation verändert hat und darüber, ob das Schweigen über Missbrauchsfälle System hat.

00:01:03: Hallo Sissi.

00:01:04: Hallo Christina.

00:01:06: Eine Recherche der Wochenzeitung Falter hat die aktuell herrschende Aufregung rund um SOS Kinderdorf ausgelöst.

00:01:13: Was wurde da genau aufgedeckt, was sorgt aktuell für so eine Aufregung?

00:01:17: Es geht dabei um den Standort in Kärnten, Moosburg.

00:01:22: Da sollen im Zeitraum zwischen dem Jahr zwanzig zwanzig einige Missbrauchsfälle passiert sein.

00:01:30: Da geht es wirklich um Freiheit in den Zug von Kindern.

00:01:33: Ein Betreuer soll Fotos von, also nackt Fotos von Kindern gemacht haben und die gespeichert haben.

00:01:40: Es geht um ...

00:01:42: Gewaltanwendung, also das ganze Register, was man sich vorstellen kann.

00:01:45: Und diese Missbrauchsfälle sind aufgearbeitet worden in einer Studie intern von SOS Kinderdorf.

00:01:52: Und diese Studie ist dann in irgendeiner Schublade verschwunden und nie öffentlich.

00:01:57: geworden, bis jetzt.

00:01:59: Also jetzt ist in dem Fall zugespielt worden und das ist jetzt der große Aufreger.

00:02:04: Du hast jetzt nur von einem Standort gesprochen.

00:02:06: Ich glaube mittlerweile sind auch noch Vorfälle aus anderen Standorten dazugekommen.

00:02:11: Im Nachspiel zu dieser Studie, zu der Berichterstattung, ist jetzt auch herausgekommen, dass ebenfalls eine Studie für den Standort in Tirol Imst, der Ursprungsstandort eigentlich, erstellt worden ist für den Zeitraum von des Jahrzehnten bis zum Jahrzehnten.

00:02:25: Da gab es auch Missbrauchsfälle, die sind auch untersucht worden, nicht veröffentlicht worden.

00:02:31: Berichterstattung mit Folgen.

00:02:33: Der langjährige SOS-Kinderdorfgeschäftsführer Christian Moser wurde vergangenes Wochenende freigestellt.

00:02:40: Der Aufsichtsrat Willy Balchenko hat sich aus dem Aufsichtsrat zurückgezogen.

00:02:44: Eine entsprechende Umwurzstelle ist personell aufgestockt worden.

00:02:49: die Staatsanwaltschaften in Klagenfurt, Innsbruck und Salzburg ermitteln.

00:02:55: Diese aktuelle Empörung, die bezieht sich ja nur zu einem Teil auf die tatsächlichen Missbrauchsfälle, zu einem sehr großen Teil auch auf das Schweigen, dass man eigentlich, du hast das vorhin gesagt, man hat das einfach vertuscht.

00:03:07: So was kennt man ansonsten aus der katholischen Kirche, ist das sinnbildlich dafür, wie die Organisation mit Kritik umgeht?

00:03:16: Also ich finde, dass das eigentlich der Vorwurf, der am größten zählt für mich in dieser ganzen Chaos.

00:03:21: Aber natürlich, also die ganzen Missbrauchsfälle sind natürlich aufzuarbeiten.

00:03:26: Aber in einer Organisation, wo viertausend Kinder in Österreich betreut werden und zweitausend Mitarbeiterinnen mitarbeiten, passieren Dinge leider.

00:03:35: Aber wie man damit umgeht, das ist das Wichtige.

00:03:38: Und jetzt pocht es als Kinderdorf schon das Längeren auf Transparenz.

00:03:43: Nur glaubhaft ist der Anspruch nicht, weil es ist jetzt nicht das erste Mal das Missbrauchsfälle aufgedeckt wurden.

00:03:50: Es gab eine Studie, zwölf schon von einem Historiker in Tirol, der sich mit der ganzen Geschichte auseinandersetzen sollte.

00:03:57: Die ist dann schon öffentlich gemacht worden, aber der hat auch von einer Kultur des Schweigens eben berichtet.

00:04:02: Also viel.

00:04:03: wurde nicht gemeldet.

00:04:04: Dem will man jetzt entgegenwirken.

00:04:06: mit verschiedenen Anlaufstellen, wo man einfach anonym whistleblown kann und Umwurzstellen, wo man sich melden kann, sowohl als Kind als Mitarbeiterin und so weiter, wird man sehen, ob sich dadurch wirklich was ändert an der Situation.

00:04:22: Da fragt man sich natürlich schon, wie institutionalisiert solche Probleme in der Institution an und für sich sind.

00:04:29: Vielleicht machen wir dazu einen Blick zurück.

00:04:31: Also welche Geschichte, welche Tradition hat es so als Kinderdorf eigentlich?

00:04:34: Was ist das überhaupt für ein Projekt?

00:04:37: Ich finde das ganz lustig, weil irgendwie haben viele ein sehr romantisiertes Bild davon.

00:04:43: Die Ursprünge gehen wirklich zurück, also das ist seventy-fünf Jahre alt, die Organisation direkt nach dem Krieg.

00:04:50: In dem Kontext hat das ganze Konzept auch Sinn gemacht.

00:04:54: Wir stellen uns vor, ganz viele Kinder sind zurückgelassen worden ohne Eltern oder ohne Väter.

00:04:59: Großteils in Armut, vor allem in den ländlichen Regionen ohne irgendwelche Infrastruktur.

00:05:04: Und da ist eine Gruppe rund um einen Herrn Meiner darauf gekommen, was wir gründen jetzt das SOS Kinderdorf.

00:05:12: Der ist aufgewachsen auf einem Tiroler Bauernhof und der dachte, das Beste für diese Kinder wäre, anstatt sie in staatlichen Massenheimen, also ohne persönlichen Bezug irgendwie unterzubringen, wäre es viel besser ein quasi familiäres Setting für diese Kinder zu schaffen.

00:05:31: Und deshalb sollte das SOS Kinderdorf am Anfang auch quasi diese Familienstruktur, vor allem diese damalige, sehr konzertlich geprägte, patriarchale Familienstruktur nachahmen quasi.

00:05:44: Das heißt, es gibt ein Dorf, da gibt es verschiedene Kindergruppen, damals waren das noch so zwischen neun und elf Kindern und eine Mutter, so als Kinderdorfmutter, soll quasi ihre Mama da stellen und die Hauptbezugsperson sein.

00:06:00: Ein Leiter des Dorfes stellt die quasi männliche Autorität im Leben der Kinder da und sie kommen in dieser Gemeinschaft, wachsen sie auf mit den anderen Kindern als quasi Geschwister.

00:06:13: Das waren also die Anfänge.

00:06:15: Wie schaut das heute aus?

00:06:18: Heute ist das, also das Essen als Kinderdorf ist... Unglaublich gewachsen.

00:06:23: Wir reden von anfänglich einem Standort in Tirol, in Imst.

00:06:27: Gut, denn den darauffolgenden Jahren sind acht Standorte in ganz Österreich entstanden, alle im ländlichen Bereich, weil der Bedarf einfach da war.

00:06:35: Natürlich, wir reden hier nach Hextet.

00:06:37: Und dann ist das Ganze auch international.

00:06:40: Also mittlerweile ist das eine NGO vom riesigen Ausmaßen, die in über hundert Ländern irgendwie aktiv ist und Forthilfe leistet und auch Kinderdörfer betreibt.

00:06:51: Wie ist diese NGO strukturiert, also wird die von Österreich ausgeleitet?

00:06:55: Ja, eigentlich ist Österreich, also hier sind sie entstanden und eigentlich wird sie von hier aus auch geleitet, bzw.

00:07:02: das sieht man zum Beispiel ganz gut.

00:07:04: Der Leitung von Waldrat Klassenig hat unter der Leitung eine andere Kommission, Missbrauchsvorfälle im internationalen SOS-Kinderdorf untersucht und ist darauf gekommen, dass es da auch in zwanzig verschiedenen Ländern so missbrauchen kann.

00:07:19: Und in Österreich hat man sich darum angenommen, weil es sollten eigentlich die gleichen Standards für alle Orte gelten.

00:07:26: Wie einfach das Umzusetzen ist bei einer Organisation dieser Größe ist natürlich eine andere Frage.

00:07:31: vor allem wenn anscheinend auch in Österreich die Standards nicht ideal umgesetzt werden, diese Idee, die du gerade irgendwie geschildert hast.

00:07:39: Also das klingt jetzt ganz abgesehen von den konkreten Vorwürfen, die es jetzt aktuell gibt, zu dieser simulierte Familie.

00:07:46: Das klingt nicht mehr besonders zeitgemäß, also in Zeiten von betreuten Wohngemeinschaften, in Zeiten von Patchwork-Familien etc.

00:07:53: Also wird dieses pädagogische Konzept sozusagen noch praktiziert?

00:07:58: Nein, also bis zu gewissen Grad vielleicht.

00:08:00: Also man muss wissen, dass mittlerweile nur mehr rund zehn Prozent, knapp unter zehn Prozent der Kinder, die vom SOS Kinderdorf betreut werden in Österreich, in solchen Es ist Kinderdorf-Familien-Settings untergebracht.

00:08:15: Der Rest lebt eh auch in betreuten Wohngemeinschaften und ähnlichen anderen Settings.

00:08:20: Oder, was es als Kinderdorf auch macht, ist ambulante Unterstützung.

00:08:24: Das heißt, die Kinder bleiben bei ihren Eltern zu Hause, weil das ist auch ein Unterschied zu früher.

00:08:29: Jetzt geht es nicht mehr um Vollweisen, sondern sehr viele der Kinder, die betreut werden, kommen einfach aus schwierigen Familienverhältnissen, wo es Probleme gibt mit den Eltern.

00:08:38: Da ist eben die Frage, okay, entweder sie kriegen ambulante Betreuung.

00:08:41: Das heißt, er soll ins Kinderdorf versucht zu vermitteln oder versucht zwischen den Eltern und den Kindern zu vermitteln.

00:08:47: Oder sagt das Jugendamt, okay, die Gefährdung, die Kindesgefährdung ist zu groß.

00:08:52: Die Kinder müssen von den Eltern weg.

00:08:55: dann besteht die Möglichkeit, dass man in den SS Kinderdorf untergebracht wird.

00:08:59: Aber auch je nach Bedarf, also merkbar bei dem Kind, es braucht so ein Setting, vielleicht wenn es noch sehr jung ist, wenn es schon um einen älteren Jugendlichen sich handelt, sind das dann meistens wahrscheinlich schon so betreute Wohneinrichtungen.

00:09:12: Also da ist das, das hat sich unglaublich verbreitert, das Angebot.

00:09:16: Das heißt, SS Kinderdorf agiert im Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe.

00:09:21: Es heißt Kinderdorf wird auch zu seventy-fünf Prozent vom Staat finanziert.

00:09:26: Also er arbeitet sehr eng mit dem Staat zusammen, ist aber keine staatliche Organisation.

00:09:30: Aber in der Kinder- und Jugendhilfe sind sehr viele nichtstaatliche Träger.

00:09:37: Auch neben der SOS Kinderdorf gibt es ja auch noch die Volkshilfe und andere, die eben eng zusammenarbeiten.

00:09:43: Und je nach Bundesland, das ist ja, wie in diesem Beispiel, gibt es sehr viele verschiedene Träger in anderen Bundesländern wie in Burgenland, kleineren gibt es wenige, da gibt es ja gar nicht so viel die Auswahl.

00:09:53: Also viel von der österreichischen Jugendhilfe stützt sich auf private Träger.

00:09:58: Kommen

00:09:58: wir noch mal zurück auf die konkreten Vor- die jetzt diskutiert werden, da gibt es jetzt eine entsprechende Kommission, die mit der Aufarbeitung dieser Kauser beauftragt ist, und zwar unter der prominenten Leitung von Ehrmgaard Griss.

00:10:09: Was sind die Pläne dieser Kommission?

00:10:11: Arbeitet sie schon?

00:10:12: Was wird die angehen?

00:10:14: Es gab Dienstag eine Pressekonferenz von SRS Kinderdorf, eben deshalb, weil morgen diese Kommission sich zum ersten Mal zusammensetzt.

00:10:23: Und die soll quasi ausgehend von diesen jetzigen Missbrauchsfällen die ganze Struktur von Essoes Kinderdorf durchleuchten und dann Reformvorschläge liefern, was alles geändert werden sollte.

00:10:34: Essoes Kinderdorf sagt... quasi das seit den Neunzigern in einem laufenden Reformprozess ist.

00:10:42: Es hat sich jetzt nicht um irgendwas zu verteidigen, aber es hat sich natürlich auch viel geändert in der zierischen Hinsicht, in wie die ganze Gesellschaft Erziehung wahrnimmt und da versucht sich als Kinderdorf angeblich seit den Neunzigern zu verändern.

00:10:56: Da ist auch das Konzept mittlerweile ein anderes als früher in den ursprünglichen Kinderdörfern.

00:11:01: Aber trotzdem, wie man sieht an diesen Missbrauchsfällen, sieht sich auch bis heute noch überbleibsel der sogenannten schwarzen Pädagogik, also dieser Pädagogik, die auf Angstmache ausgelegt ist und nicht auf die Partizipation von Kindern quasi auf Augenhöhe, sieht sich bis heute durch.

00:11:22: Die besprochene Reformkommission unter der Leitung von Irmgard Griss, die tritt am achten Oktober in ihrer neuen Zusammensetzung erstmals zusammen.

00:11:31: Die Kinder- und Jugendanmaltschaft, die fordert übrigens aus aktuellem Anlass bundesweit einheitliche und verbindliche Qualitätsstandards in der Kinder- und Jugendhilfe.

00:11:41: Berichterstattung zum Nachlesen finden Sie wie immer in den Show-Notes.

00:11:45: Danke fürs Zuhören.

00:11:46: Bis zum nächsten Mal.

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