Gewöhnt uns die KI das Lesen ab?
Shownotes
Von Christine Mayrhofer. Literaturnobelpreis, Frankfurter Buchmesse, BookTok: Die Kulturtechnik Lesen wird nach wie vor zelebriert und gefeiert. Wie legitim ist es da, von einer „Krise des Lesens“ zu sprechen?
Medienwissenschaftler Christoph Engemann denkt in seinem Essay „Zukunft des Lesens“ und als Gast in dieser Folge darüber nach, wie TikTok und KI unser Leseverhalten verändern, was rechte Podcaster damit zu tun haben, und was das für Universitäten und Gesellschaft bedeutet.
Gast: Christoph Engemann, Medienwissenschaftler Host: Christine Mayrhofer Schnitt: Audiofunnel/Dominik Lanterdinger
**Mehr zum Thema: **
>>> Soll man Bücher zu Ende lesen? Oder überhaupt ganz anders? >>> Über das Lesen in Bibliotheken >>> Kinder zum Lesen bringen: „Eine solche Kulturelite in Europa ist moralisch verkommen“ >>> Zum Essay "Die Zukunft des Lesens"
Alle unsere Podcasts finden Sie gesammelt unter [www.diepresse.com/player] (https://www.diepresse.com/player/?utmsource=podigee&utmmedium=podcastshownotes))
Wenn Sie mehr Qualitätsjournalismus lesen wollen, dann abonnieren Sie „Die Presse“, gedruckt oder digital im Premium-Angebot. Alle Infos dazu finden Sie unter
Wenn Sie unseren Podcast mögen und automatisch von einer neuen Ausgabe erfahren wollen, dann aktivieren Sie die Push-Notifications für alle Presse-Podcasts in unserer App oder folgen Sie dem Podcast-Kanal der Presse auf Spotify, Apple oder Google Podcast.
Transkript anzeigen
00:00:05: Die Presse.
00:00:08: Letzte Woche wurde mit Spannung erwartet, wer heuer den Literatur-Nobelpreis bekommt.
00:00:14: Dieses Wochenende werden auf der Frankfurter Buchmesse wieder hunderttausende Besucherinnen erwartet und auf Social Media da feiern Booktockerinnen das Lesen längst wieder als lebensverändert ab.
00:00:27: Von einer Krise des Lesens zu sprechen, mag deswegen erst mal überzogen vorkommen.
00:00:32: Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache.
00:00:35: Buchhandlungen schließen, Zeitungsauflagen sinken, sinnerfassendes Lesen ist für viele Jugendliche und Erwachsene eine Herausforderung.
00:00:43: Mein Name ist Christine Meyerhofer und das ist, was wichtig ist, der tägliche Nachrichten-Podcast der Presse.
00:00:50: Der Medienwissenschaftler Christoph Engemann macht sich gerade deswegen in einem kürzlich erschienenen Essay über die Zukunft des Lesens Gedanken.
00:00:59: Ich habe mit ihm darüber gesprochen, wie TikTok und KI unser Leseverhalten verändern, was rechte Podcaster damit zu tun haben und was das für unsere Gesellschaft bedeutet.
00:01:13: Hallo, Herr Engemann.
00:01:15: Guten Morgen.
00:01:15: Ich freue mich sehr, hier zu sein.
00:01:16: Vielen Dank für die Einladung.
00:01:18: Herr Engemann, letzte Woche ist der Literaturnobelpreis vergeben worden.
00:01:22: Diese Woche findet die Frankfurter Buchmesse statt.
00:01:26: Ein Event, wo seit einigen Jahren auch ganz viele junge Leserinnen hinströmen.
00:01:31: Sie schreiben trotzdem von einer Krise des Lesens.
00:01:34: Warum?
00:01:36: Ja, also ich glaube, das Lesen ist im Umbruch, im Wandel.
00:01:41: Und im Ruchenwandel wird immer auch als ein Krisenphänomen wahrgenommen.
00:01:44: Und ich glaube, es gibt sozusagen verschiedene Hinsichten, wie man diesen Wandel beschreiben kann.
00:01:50: Es gibt, glaube ich, tatsächlich negative Entwicklungen, auch dramatische Art.
00:01:56: Also, just diese Woche machte die Zahl von einem Viertel geschlossener Buchhandlungen in Deutschland die Runde in den letzten, ich glaube, fünf Jahren, bei steigender Tendenz.
00:02:07: Wir sehen außerdem aus allen Ländern eigentlich Meldungen über zuverlässige empirische Forschung zu Veränderungen in der Lesekompetenz.
00:02:17: Das heißt, das Lesen langer komplexer Texte fällt jungen Menschen schwerer.
00:02:22: Wir sehen die sinkenden Auflagezahlen von Printprodukten.
00:02:25: Das gilt für die Presse genauso wie für Bücher.
00:02:28: Das heißt, da verändert sich wirklich substanziell etwas.
00:02:32: Das sind alles langfristige Trends.
00:02:33: Gerade was die verschwinden, also was die schwindenden Auflagezahlen angeht, sind das ja Entwicklungen, die wir jetzt über fünfzehn Jahre und länger beobachten.
00:02:42: Das ist die eine Seite.
00:02:44: Die andere Seite ist, dass man sieht, was sie gerade schon angesprochen haben.
00:02:48: Es gibt so etwas wie eine neue junge Leserschaft.
00:02:51: die auch ganz neue Formen lesen zu zeigen und lesen zu leben entwickelt hat.
00:02:58: Also die kommen erst mal zu solchen Veranstaltungen wie der Buchmesse, die jetzt diese Woche in Frankfurt läuft.
00:03:03: Und ja, die größte internationale Messe ist, die sich um diese Themen dreht.
00:03:08: Die haben neue Formate in sozialen Medien entwickelt.
00:03:11: Also Booktalk ist das bekannteste Beispiel, aber auch offline finden, Leseklubs statt.
00:03:16: Also da entsteht sozusagen zugleich ... auch eine neue Form des Umgangs mit Büchern und oder Texten.
00:03:25: Und was daran ist jetzt nicht nur Veränderung, sondern auch Krise?
00:03:30: Ich glaube, dass man dazu nehmen muss, was man erst mal überhaupt gar nicht im Blick hatte, wenn man von Lesen spricht.
00:03:37: Das ist nämlich täglich im Umgang mit sozialen Medien, aber auch mit Messengers, sehr viel Lesen und Schreiben.
00:03:44: Und vielleicht sogar sehr viel mehr Lesen und Schreiben, als wir das je historisch getan haben.
00:03:49: Wenn man jetzt WhatsApp dazu nimmt, Signal Telegram, also diese Messenger-Dienste auch Instagram, Snapchat, was in Europa vielleicht nicht so wichtig ist, das sind Lese- und Schreibaktivitäten.
00:03:59: Dazu kommen die ganzen Lese- und Schreibaktivitäten, die man vielleicht bei so trivialen Dingen wie wenn man sich auf Online-Webseiten und Produkte kümmert, also wenn man sich informiert, was für den Kühlschrank möchte ich kaufen?
00:04:12: oder Also letztlich jede Kaufhandlung geht ja mit dem Lesen von irgendwelchen Bewertungen einher, vielleicht auch mit dem Schreiben von Bewertungen, mit dem Anschauen von Videos zu diesen Produkten.
00:04:26: Also wir haben sozusagen auf der einen Seite ein Abnehmen eines bestimmten Verhaltens.
00:04:32: ist umgangs mit dem, was ich erst mal das Systembuch nennen würde und was das ist, kann ich gleich noch kurz sagen.
00:04:38: Und andererseits eine Zunahme von Leseaktivitäten, teilweise auch Schreibaktivitäten an Orten, wo wir das vielleicht gar nicht als Lesungsschreiben wahrnehmen und was jetzt gesellschaftlich gesehen im Vergleich zum Systembuch auch einen geringeren Stellenwert hat.
00:04:54: Also schreiben Messenger auf einer sozialen Medium oder meinetwegen in Form irgendwelcher Produktbewertung ist jetzt nicht... dasselbe der Gesellschaft, die gesehen wird, schreiben, eines Buches.
00:05:05: Was meinen Sie mit dem System Buch?
00:05:08: Das Buch hat in unserer Gesellschaft einen besonderen Status und daran ist eine besondere Erwartung geknüpft, was man in einem Buch vorfindet.
00:05:16: Nämlich wissen, dass es einer, das so aufbereitet ist, dass es in dieses Format zwischen zwei Buchdeckeln passt und die Komplexität, die das Buch sozusagen vermitteln soll, transportieren soll, für die Leserinnen, für die Leser im Zube des Lesens nachvollziehbar und erfahrbar macht.
00:05:36: Das Schreiben eines Buches ist eine Art Kompressionsprozess, in dem man Dinge, die vielleicht gleichzeitig passieren, linearisiert.
00:05:43: Und das Lesen eines Buches ist sozusagen der equivalente Dekompressionsprozess, wo die Leserinnen quasi das entpacken.
00:05:51: Und zum Systembuch gehört weiterhin Ein komplexes, historisch gewachsenes Ensemble, das so etwas möglich macht.
00:05:57: Dazu gehört zum ersten Mal, also als erstes mal das Copyright, die die Rechte der Autorinnen und Autoren schützt.
00:06:04: Das Verlagswesen, aber auch das Bildungswesen, das war überhaupt erst mal die Alphabetisierung, die Weisende Schreibens und Lesens vermittelt, da auch bestimmte Standards erzeugt und das weitere Umfeld dann, zudem dann eben beispielsweise die Buchhandlung gehören, natürlich die Presse der Föhn-Torn.
00:06:22: und andere Systeme, die sich mit dem auseinandersetzen, was in über Büchern, in und mit Büchern vermittelt wird.
00:06:30: Und das zusammengenommen gibt dem Buch bis heute, und das sieht man auch an den aktuellen Aktivitäten, Nobelpreise, Buchmessen und so weiter, dem Buch eine ganz besondere Stellung.
00:06:44: Und dieses Systembuch sehen Sie in der Krise.
00:06:47: Was jetzt aber passiert ist, dass konkurrierende Systeme entstanden sind unter Bedingungen digitaler Medien und Plattformen, die ebenfalls beanspruchen, komplexe Sachverhalte zusammenzufassen, zu verdichten, zu verbreiten und zu vermitteln.
00:07:06: Und ich möchte davon zwei nennen, das mag jetzt vielleicht ein bisschen überraschend sein.
00:07:10: Das eine nämlich, das sind die Meme, das andere sind die Podcasts.
00:07:14: Memes sind ... meistens bildbasierte Informationen, in denen es auch Texte gibt, die man nur versteht, wenn man das Referenzsystem, also das, worauf sich das Bezicht präsent hat.
00:07:26: Und das ist auch eine Form von Komplexitätsreduktion, Kompression und Kommunikation.
00:07:32: Ich muss ein Meme entpacken können, damit ich das verstehe.
00:07:36: Und das spielt inzwischen politisch eine ganz enorme Rolle.
00:07:41: was man eben an der amerikanischen Politik beispielsweise sehen kann und sicherlich auch in Europa inzwischen der Fall ist.
00:07:48: Das andere Beispiel, was sie eben genannt hat, die Podcast, die sind näher an dem, was wir vielleicht erstmal kennen durch Radio und Rundfunk.
00:07:58: Podcasts sind ja inzwischen nicht nur reine Audio-Formate, sondern auch häufig werden die als Videos produziert und dann in verschiedenen Formen ausgespielt, also als Video und als reines Audio, als Snippets und so weiter.
00:08:11: Was aber in Podcast verhandelt wird, sind inzwischen sehr, sehr anspruchsvolle Themen, die man historisch gesehen eher in Zeitschriften und in Büchern und in der Presse verhandelt hätte.
00:08:23: Und da geht häufig auch eine ungeheueraufwendige Vorbereitung mit einher, also Recherchen, dann zu Bücher, die gelesen werden müssen, Texte gelesen werden müssen und so weiter, die dann die Podcaste benötigen um diese Themen überhaupt.
00:08:39: in ihrem Podcast verhandeln zu können.
00:08:41: Für beide diese genannten Formen der Komplexitätskommunikation haben wir aber keine institutionellen Strukturen, wie sie historisch für das Systembuch gewachsen sind.
00:08:52: Also wir haben keine Systeme, keine institutionellen Systeme, die uns helfen dabei, diese Dinge zu bewerten, die uns helfen, die zu lesen sozusagen, wahrzunehmen, einzuordnen.
00:09:05: die vielleicht auch über Zeit zu etwas archivieren und dadurch referenzializierbar machen.
00:09:10: Und ich glaube, das ist eine wesentliche gesellschaftliche Aufgabe, die sich stellt.
00:09:14: Und so würde ich jetzt erstmal diese, sozusagen, also einer medienwissenschaftlichen, medienhistorischen Perspektive, diese Situation versuchen zu kartieren, die wir gerade haben.
00:09:24: Wir haben die am Anfang besprochenen dramatischen Veränderungen in Leseverhalten, im Kaufverhalten von Büchern.
00:09:33: Und auf der anderen Seite haben wir einen Anwachsen in der Bedeutung der eben genannten Formate, von denen ich mir nicht sicher bin, ob die nicht genauso komplexe Kommunikations- und Informationsvermittlungssysteme sein können wie das System Buch, das gewesen ist historisch.
00:09:52: Und die existieren jetzt nebeneinander, aber mit unterschiedlichen institutionellen Hintergründen.
00:09:59: Und wohin sich jetzt sozusagen die institutionellen Hintergründe für Podcasts, für Memes verschieben?
00:10:06: Das ist unklar.
00:10:07: Sie sprechen da, glaube ich, weil Sie jetzt schon so einen institutionellen Rahmen angesprochen haben.
00:10:12: Sie beschreiben dieses Phänomen oder Sie nennen das so virtuelle Universitäten.
00:10:18: Was meinen Sie damit genau?
00:10:20: Die virtuelle Universität ist eine Idee, die schon sehr viel älter ist als vielleicht das, was ich jetzt da direkt vor Augen habe mit Podcasts und sozialen Medien.
00:10:29: Nämlich die Frage, ob man Universitäten sozusagen an diese gebauten und stark verregelten Strukturen binden muss, wie wir sie kennen.
00:10:39: Wir haben also Universitäten, gibt es in Europa seit ungefähr achthundert Jahren, Ausgehend von Italien.
00:10:44: Und die stellen ganz entscheidende gesellschaftliche Orientierungs- und Komplexitätsbewältigungsleistungen bereit und natürlich eben zertifizieren das.
00:10:54: Also geben mir einen Diplom oder einen Magister oder heute heißt das der Bachelor und Master und kommunizieren damit sozusagen der Gesellschaft, dass eine bestimmte Person bestimmte Voraussetzungen erfüllt.
00:11:10: Und darauf haben Universitäten bis heute ein Privileg.
00:11:16: Was jetzt aber, glaube ich, parallel entsteht, sind, wie eben schon angesprochen, vor allen Dingen im Podcast, sehr, sehr aufwendig gemachte und auch über Zeit sozusagen verlaufende komplexe Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen Grundfragen.
00:11:32: Man kann im Podcast also sich über alles Mögliche informieren.
00:11:36: Man kann natürlich auch alle möglichen falschen Informationen, Verschwörungstheorien, als ein Beispiel sich da aneignen.
00:11:44: Was dabei möglich geworden ist, und das ist durch KI möglich geworden, ist, dass wir Podcasts durchsuchen können.
00:11:52: Dass wir bei YouTube oder bei Google uns zu einem bestimmten Thema, sagen wir beispielsweise das Coronavirus, informieren möchten.
00:12:01: Und wenn wir das suchen, kriegen wir nicht nur Journalartikel und Bücher ausgegeben, sondern vor allen Dingen Videos und Podcasts.
00:12:10: Und das funktioniert deswegen, weil das, was in diesem Videos und Podcast gesprochen wird, von KI-Systemen transkribiert wird und damit den Suchmaschinen so geführt wird.
00:12:21: Und das ist historisch neu.
00:12:23: Das gesprochene Wort war historisch nicht durchsuchbar.
00:12:26: Das ist etwas, was mit dem geschriebenen Wort möglich war.
00:12:32: Und diese Wiederaufindbarkeit stellen die Plattform jetzt für gesprochenes bereit.
00:12:39: Und das, was ich mit virtuellen Universitäten meine, ist, dass sich Menschen zunehmend auch für komplexe Sachverhalte entlang von Podcasts, also von sozusagen Vorträgen, oder man könnte das auch Vorlesungen nennen, informieren und orientieren.
00:12:56: Und die können das, weil sie danach suchen können, weil sie nach gesprochener Sprache suchen können.
00:13:02: Und die eben schon angesprochenen unterschiedlichen institutionellen Verankerungen von diesen Komplexitätsbewältigungs- und Konsumtionsverfahren, Buch und Podcast, sind dann aber die entscheidende Differenz zwischen der virtuellen und der realen Universität.
00:13:17: Die reale Universität hat eben die vorhin genannte gesellschaftliche Aufgabe, mithin, also mitsamt diesen Zertifizierungsmöglichkeiten, wie jemand hat studiert, und hier ist sozusagen der Nachweis darüber, das kann die virtuelle Universität nicht leisten.
00:13:35: noch nicht leisten, weil es natürlich sein kann und man kann das dann an so verschiedenen, auch sehr fragwürdigen Experimenten bereits sehen, dass, ich sag mal, Podcast-Dienstleister Bildungszertifikate ausstellen möchten.
00:13:49: Das Beispiel dafür aus den USA ist die Prager University oder PragerU, eine von rechten, reaktionären, betriebene, virtuelle Universität, die eben relativ flache und dünne online Podcast basierte, videobasierte Seminare anbieten, wo man dann beispielsweise Abschlüsse in Geschichte machen
00:14:13: kann.
00:14:14: Sie haben jetzt schon über die Rolle von KI in dieser Verschiebung gesprochen.
00:14:19: Also das ist ja vielleicht auch etwas, was gerade im akademischen Kontext passiert, also dass die KI mehr und mehr... Sozusagen das Lesen übernimmt, Texte analysiert, zusammenfasst, neu kombiniert.
00:14:34: Wie verändert das, wie wir lesen, wie wir ans Lesen herangehen, überhaupt lesen können?
00:14:40: Ja, also das ist ja eine Frage, die gerade wirklich alle beschäftigt, insbesondere im Bildungswesen und nicht nur in den Universitäten, in den Schulen auch.
00:14:50: Und ich glaube, das ist also... sehr schwer zu sagen, was das mittel- und langfristig heißt.
00:14:56: Kurzfristig sehen wir, dass viele Studierende das nutzen und viele Studierende Aufgaben, die wir in Stellen müssen, als Teil unserer Funktion der Universität, die eben diese Bildungszertifikate produziert und ausgibt, wie beispielsweise die müssen einen Essay schreiben oder eine Hausarbeit oder so etwas.
00:15:17: Und Studierende sind ja klug, die verstehen dann sehr schnell, dass das mit solchen Systemen viel einfacher geht und vielleicht auch sehr viel besser als wenn sie das selber machen.
00:15:29: Und ich glaube, der Realität wird man nicht entkommen.
00:15:33: Das heißt aber, also was ich sagen will, ich bin ein bisschen skeptisch gegenüber diesem untergründigen Narrativ, das häufig angeführt wird, dass die Studierenden dadurch dünmer werden.
00:15:43: Das meine ich damit, dass es unklar ist, was das mittel- und langefristig heißt.
00:15:48: Das ist eine Entwicklung, die auf jeden Fall stattfinden, die Universitäten reagieren bereits darauf, indem sie Lehrende und Studierende darin orientieren, was können solche Systeme, die Chat GPT und andere Large Language Models, und was können die nicht?
00:16:03: Also, wo produzieren die sogenannten Halluzinationen beispielsweise, oder welche Bayer-SS-Schlitten da drin, oder welche anderen Fehlerquellen gibt es darin?
00:16:13: Wie kann man kluge Poms kommen?
00:16:16: Kluge Poms, das fällt mir gerade schwer.
00:16:19: produzieren, die eben mehr ausgeben als, ich sag mal, ein Standardesse.
00:16:24: Das ist eine Form der Reaktion, die andere Form der Reaktion ist, dass man stärker auf handschriftliche und mündliche Präsentation, also Handschritte auch arbeiten und präsentationen setzt, um eben herauszufinden.
00:16:37: Was wissen Studierende denn selbst und wie gehen sie damit um?
00:16:41: Das Lesen im erweiterten Sinne von Erfassen von Inhalten, etwas verstehen.
00:16:46: Das steht ja nach wie vor hinter all diesen Praktiken.
00:16:50: Ist da, passiert da auch eine Veränderung dann dadurch, wie das funktioniert?
00:16:54: Ja, ich glaube schon.
00:16:55: Also, vielleicht muss man die Unterschiede zwischen den verschiedenen Medien in den Blick nehmen, auf denen gelesen wird.
00:17:01: Darüber haben wir einigangs schon gesprochen.
00:17:03: Wenn wir über Lesen sprechen, dann haben wir... In der Regel erst mal das Buch vor Augen oder die Zeitung oder vielleicht eine Zeitschrift.
00:17:10: Also immer noch quasi Medien, die papierbasiert sind, die bestimmtes Format haben mit Anfang und Ende, die relativ linear organisiert sind und anders als online Medien nicht alle möglichen Verzweigungen ermöglichen oder mit sich fühlen, wo man eigentlich an jedem Wort und an jedem Satz noch gleich woanders hinschicken kann.
00:17:33: Und da unterscheidet die Leseforschung auch verschiedene Formen, also des Shallow und Deep Reading, also des oberflächlichen und tiefen Lesens, des linearen und nicht-linearen Lesens und so weiter.
00:17:45: Und diese sozusagen alternativen Formen des Lesens nehmen sicherlich zu.
00:17:51: Das ist eine Dimension, die man da im Auge haben muss und wo man sich sozusagen auch fragen muss, was bedeutet das für die Orientierung in komplexem Sachfall?
00:18:02: Der andere Aspekt ist das, was ich vorhin schon angesprochen habe, dass die Auseinandersetzung mit ChatGPT ebenfalls dahingehend beobachtet werden muss.
00:18:12: Welche Formen des Lesens gehen damit einher?
00:18:15: Also lesen die Leute die Proms, die Ausgaben, die dabei rauskommen.
00:18:20: Welche kreativen Leistungen werden mit diesen Ausgaben von ChatBots selbst unternommen?
00:18:26: Wie reagieren die Studierenden in dem Fall beispielsweise dann mit?
00:18:31: Alternativen Prompts darauf und so weiter.
00:18:34: Also das wäre ein Teil der Veränderung dieser Matrix des Lesens, die ich es anfangs angesprochen habe, wo diese kulturell privilegierten Formen des Bücherlesens vielleicht ein Stück weit weniger werden und andere weniger kulturell privilegierte Formen des Lesens an deren Stelle trinken, für die wir eben noch keine gesellschaftlichen Bewertungssysteme entwickelt haben.
00:19:00: Und wir sind auch natürlich ungeheuer rausgefordert, weil diese Entwicklung so wahnsinnig schnell ist.
00:19:06: Es ist sehr schwierig, dafür gesellschaftliche Bewertungssysteme zu entwickeln, wenn das nächstes Jahr schon wieder alles anders ist.
00:19:13: Und so ist es ja die letzten drei, vier Jahre gewesen.
00:19:15: Die Entwicklung ist so schnell, dass man fast nicht hinterherkommt.
00:19:20: Welche Rolle bleibt dann dem traditionellen Lesen, also jetzt im Sinne von, ich sitze da mit einem dicken Buch, einem schwierigen Text und ich eigne mir das an entweder zum Erkenntnisgewinn oder eben rein aus der Freude daran?
00:19:35: Ja, also ich glaube, dass das nach wie vor eine ganz, ganz wichtige Aktivität ist und in meinem Buch ende ich ja auch darauf, dass diese Formen des Lesens, des Lesens im Also langer, komplexer Texte von Büchern.
00:19:51: Und die damit einhergehenden Notwendigkeiten, dass man sich zurückziehen muss, dass man sich einen ungestörten Raum schaffen muss, dass möglicherweise auch wirklich Arbeit ist, die mühsam ist, die über stunden Tage, Wochen und manchmal Jahre bewältigt werden muss.
00:20:07: Nach wie vor Formen der Auseinandersetzung mit Informationen, mit Komplexität bereitstellt, die andere ... Formate nicht bieten können, ganz abgesehen von der Privilegierung eben in unseren inzeptionellen Kontexten wie Schulen und Universitäten, die diese Formen des Lesens irgendwie mit sich tragen, die, glaube ich, auch mittel- und langfristig stabil sein werden.
00:20:30: Und meine These ist, also ich nenne das neue Latein, dass dabei so was entstehen könnte wie eine Klasse von Lesern und Lesern, die das noch machen, während die meisten anderen Menschen sich das, was diese Leserinnen und Leser aneignen, entweder über Podcasts und oder eben über Chatbots aneignen und dabei aber tatsächlich natürlich etwas anderes aneignen, weil es ist nicht selbst gelesen.
00:21:00: Es ist nicht selbst in diesem langwierigen Prozess durch, ich sag mal, den eigenen Geist und die damit einhergehenden Prozesse des Verstehens des Nichts Verstehens des Imaginierens.
00:21:13: und so weiter durchgelaufen.
00:21:16: Und das wäre natürlich ein Problem.
00:21:20: Wenn das Lesen wieder, und das war es historisch, ja, die Alphabetisierung ist eben vielleicht zwei, drei Hundert Jahre alt, je nachdem, wo man hinschaut, das Lesen wieder ein Privileg wird.
00:21:32: Wie ist das, solange wir Schrift kennen, und da kann man sich lange drüber streiten, ob das jetzt sechstausend Jahre oder dreitausend Jahre, oder zehntausend Jahre alt ist, aber Schrift war, Lesen und Schreiben war immer eine machtnahe, eine privilegierte Technik.
00:21:51: Und die Alphabetisierung hat das Lesen und Schreiben zu einer Emanzipationstechnik versucht zu machen und teilweise auch erfolgreich gemacht.
00:22:00: Und das ist die Entwicklung, die ich befürchte, dass Lesen und Schreiben wieder stärker zu einer Machttechnik werden, dieser emanzipatorische Anspruch oder die Potenz, die da drin steckt.
00:22:11: ein bisschen zurück geht, verschwindet.
00:22:14: Ist das nicht etwas gar kulturpäsimistisch?
00:22:16: Immerhin ist eine Lesekrise in der Vergangenheit immer wieder ausgerufen worden und wir lesen ja immer noch.
00:22:23: Um das nochmal zu betonen, ich glaube, dass diese neuen Formate, in denen sich das Lesen einerseits und schreiben einerseits ungeheuer ausdifferenziert und zunimmt, diese ganzen unscheinbaren Prozesse, die in Messenger und anderen Formaten stattfinden, eine eigene Qualität haben, die wir noch gar nicht richtig verstehen und die wir bewerten lernen müssen.
00:22:44: Das ist die eine Ebene.
00:22:45: Die zweite Ebene ist, dass die angesprochenen Formate der Komplexität, Kommunikation und Bewältigung wie Memes und Podcasts ungeheure Chancen bieten, sich gesellschaftlich zu organisieren und zu orientieren.
00:23:00: Ich glaube, dass das zurzeit eben von vor allen Dingen reaktionären Kräften sehr viel besser und geschickter ausgenutzt wird.
00:23:06: auch in Opposition zu den existierenden Institutionen und Strukturen, von denen die sich nicht genügend repräsentiert und gewürdigt und so weiterfühlen.
00:23:15: Aber ich glaube nicht, dass das inneren Rechts- oder reaktionär ist in diese Formate, sondern es ist eine Frage ihrer politischen Nutzung und ihrer Bewertung.
00:23:26: Die kulturpäsimistische Seite ist das, was ich vorhin angesprochen habe, das strukturell das Lesen langer komplexer Texte.
00:23:35: erst mal institutionell nach wie vor bevorteilt ist und das gilt insbesondere für politische Entscheidungsfindungsprozesse.
00:23:43: und letztlich das Recht, weil wir institutionell immer noch und kann mir auch ehrlich gesagt kein anderes Format vorstellen, aufschriftbasieren.
00:23:55: und allein diese Tatsache, die selbst sozusagen sehr komplexe Sachverhalte betrifft und beinhaltet, dass unsere gesellschaften institutionell Schrift basiert sind, bedeutet, dass die Fähigkeit, sich mit Schrift und komplexen Sachverhalten auseinandersetzen, auf lange sich gesellschaftlich privilegiert sein will.
00:24:20: Wenn das aber immer weniger Leute machen, dann sind diejenigen, die das noch machen und die das können, im Vorteil.
00:24:26: Und an der Stelle bin ich sozusagen Kultur-Pessimist oder eigentlich würde ich sagen Sozial-Pessimist.
00:24:32: Weil das heißt, dass die gesellschaftliche Ungleichheit, die ja insgesamt sowieso zunimmt, durch diese Prozesse verstärkt wird.
00:24:40: Und ein Grund, warum Leute vielleicht weniger lesen, liegt nicht unbedingt in der Medienkompetenz, sondern daran, dass sich in unseren Gesellschaften, das ist eine Diagnose, die kann man in Europa und in den USA von Soziologen vorwärts und Rückwärts- und Bildungsforschern nachlesen, dass sich also in unseren Gesellschaften der Zusammenhang von Bildungserfolg und sozialen Status und sozialen Aufstiegsmöglichkeiten entkoppelt hat.
00:25:06: Das heißt also ganz profan auf Deutsch, im zwanzigsten Jahrhundert, in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhundert war es noch gültig, dass der Erwerb eines Bildungsabschlusses oder eines höheren Bildungsabschlusses als die Eltern beispielsweise eine Verbesserung des Lebensstandards und des Status bedeutet hat.
00:25:24: Und das ist seit zwanzig Jahren ungefähr nicht mehr der Fall, vielleicht ein bisschen länger.
00:25:29: Und das heißt auch, dass viele, viele Menschen beobachten, dass sich lesen, was ja ein Teil von Bildung ist, und Bildungsprozessen ist für sie gar nicht lohnt.
00:25:39: Weil damit keine Staatungsverbesserung, keine Einkommensverbesserung, keine Lebensstandardverbesserung irgendwie einhergeht.
00:25:48: Und das ist vielleicht auch so ein Prozess.
00:25:52: den man ins Auge nehmen muss, um sich klar zu machen, warum sich Leseverhalten, Buchkauf und so weiter verändern.
00:25:58: Also ein sehr ambivalenter Blick in die Zukunft.
00:26:02: Vielleicht zum Abschluss, vielleicht möchten Sie uns noch eine Empfehlung mitgeben, welches Lesen oder welche Art zu Lesen Sie als besonders lustvoll oder gewinnbringend empfinden.
00:26:16: Ja, das ist schön.
00:26:17: Danke.
00:26:18: Also ich glaube, es sind zwei Sortenlesen.
00:26:20: Die eine Sorte oder Form des Lesens, die ich als ungeheuer bereichernd erlebt habe und die ich auch sozusagen selber, also sagt das vielleicht mal dazu, ich komme aus einem bildungsfernen Haushalt.
00:26:32: Also bin ich jetzt nicht irgendwie aus einer Akademikerfamilie aufgewachsen.
00:26:36: Und ich bin an die Universität gekommen und habe die selber Erfahrung, wie viele Menschen aus bildungsfernen Hintergründen gemacht, nämlich Orientierungslosigkeiten und Beforderungen.
00:26:46: Was ich da als wahnsinnig hilfreich und als lustvoll erlebt habe, sind Lesekreise.
00:26:52: Also gemeinsam lesen.
00:26:54: Und die eben angesprochenen komplexen langen Texte.
00:26:57: Also man kann, kann Vernunftkritik eigentlich nicht alleine im einsamen Zimmer lesen.
00:27:02: Das wird man nicht verstehen.
00:27:05: Wenn man das aber zusammenliest mit anderen Leuten, vielleicht doch Leuten, die das schon mal gelesen haben, macht man Erkenntnis-Erfahrungen, die sind eindrücklich, die sind lustvoll, sondern die erneuten sich sehr lange.
00:27:17: Also das wäre einerseits ein Plädoyer für das gemeinsame Lesen und gerade auch für das gemeinsame Lesen sehr anspruchsvoller Texte.
00:27:25: Und das andere Lesen, das ich selber als Bereich und lustvoll empfinde, ist tatsächlich das Lesen von Romanen, von Literatur.
00:27:34: Und da ist für mich wichtig, keine Angst davor zu haben, ein Buch wegzulegen.
00:27:41: Das war ein Gespräch mit dem Medienwissenschaftler Christoph Engemann über die Zukunft des Lesens.
00:27:46: Sein gleichnamiger Essay ist bei Mattes und Seitz Berlin erschienen.
00:27:50: Infos dazu finden Sie in den Schoenuts.
00:27:53: Und wenn Sie sich jetzt noch mehr dafür interessieren, wie KI unsere Gesellschaft verändert, dann hören Sie auch kommende Woche wieder zu.
00:28:01: Da blicken meine Kolleginnen Anna Wallner und Melanie Klug in einer dreiteiligen Serie in die aufregende Welt der künstlichen Intelligenz.
00:28:09: Ab kommenden Freizeit Auf diesem Kanal zuhören zahlt sich aus.
00:28:13: Bis dahin wünsche ich Ihnen ein angenehmes Wochenende.
00:28:16: Bis zum nächsten Mal.
Neuer Kommentar