Lohnabschluss bei der WKO: Arbeitgeber, die sich selbst belohnen?

Shownotes

In Österreich gibt es neben Wirtschaftsprognosen, Inflationsrate oder Bruttoinlandsprodukt noch einen weiteren Indikator für die allgemeine Wirtschaftslage: Ganz im Sinne der Sozialpartnerschaft geben die alljährlichen Lohnabschlüsse Auskunft über das Selbstbild einer Branche, das Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretung gemeinsam zeichnen.

Die aktuelle Herbstlohnrunde zeigt sich dabei aufschlussreich: Von den Metallern über das Elektrogewerbe bis hin zu den Eisenbahnern ist von einem „Krisenabschluss“ die Rede, die Abschlüsse sind deutlich unter der Inflation ausgefallen. Nur die Wirtschaftskammer gönnt ihren Angestellten ein Plus von 4,2 Prozent.

Gerhard Hofer, stellvertretender Chefredakteur der „Presse“ spricht in dieser Folge darüber, was es bedeutet, wenn just die Wirtschaftskammer ihren Angestellten einen deutlich höheren Lohnabschluss gönnt, und was das für jene Branchen bedeutet, in denen die Verhandlungen noch ausstehen.

Gast: Gerhard Hofer, „Die Presse“ **Host: **Christine Mayrhofer, „Die Presse“ Schnitt: Audiofunnel/Georg Gfrerer

>> Die Wirtschaftskammer lässt in der Krise jedes Gespür vermissen >>> 4,2 Prozent Lohnerhöhung für Mitarbeiter der Wirtschaftskammer

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Transkript anzeigen

00:00:05:

00:00:08: Neben Wirtschaftsprognosen, Inflationsraten oder Protoinlandsprodukt gibt's in Österreich noch einen weiteren Indikator für die allgemeine Wirtschaftslage.

00:00:19: Ganz im Sinne der Sozialpartnerschaft geben die alljährlichen Lohnabschlüsse Auskunft über das konsensuelle Selbstbild, das Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung der jeweiligen Branche gemeinsam zeichnen.

00:00:33: In der heurigen Herbstlohnrunde ist dabei bezeichnenderweise einiges anders gewesen als in vergangenen Jahren.

00:00:40: Es ist ein Krisenabschluss auf Zeit, wo wir ganz besonders die Kaufkraft in den Mittelpunkt unseren Debatten geführt haben.

00:00:47: Ja, es ist ein Abschluss, der nicht die rollierende Inflation voll abdeckt.

00:00:53: Suchert etwa Roland Binder von der Metaller Gewerkschaft ProGi den traditionellen ersten Abschluss der Herbstlohnrunde als Krisenabschluss vorgestellt.

00:01:02: Und die Metaller sind damit kein Einzelfall geblieben.

00:01:06: Mein Name ist Christine Meyerhofer.

00:01:08: Das ist, was wichtig ist, der tägliche Nachrichten-Podcast der Presse.

00:01:13: Mit Gerhard Hofer, dem stellvertretenden Chefredakteur der Presse, habe ich darüber gesprochen, was es bedeutet, wenn just die Wirtschaftskammer ihren Angestellten einen deutlich höheren Lohnabschluss gönnt und was das für jene Branchen bedeutet, in denen die Verhandlungen heuer noch ausstehen.

00:01:34: Hallo Gerhard.

00:01:35: Servus.

00:01:36: Gerhard,

00:01:37: eine Lohnanpassung über der Inflationsrate.

00:01:39: Das ist in diesen Tagen eine Besonderheit.

00:01:42: Just für die Mitarbeiter

00:01:43: und Mitarbeiterinnen der Wirtschaftskammer

00:01:45: soll es aber beim heurigen Lohnabschluss um vier Prozent mehr geben.

00:01:49: Ein Wert, der manche Ortsauf-Unverständnis stößt.

00:01:53: Warum?

00:01:53: Erstens ist einmal Unverständnis schon sehr tief gestapelt.

00:01:57: Also mich haben heute einige Unternehmer kontraktiert, die wirklich im Börd sind.

00:02:02: Natürlich sind diese Vier-Kammer-Zwei-Prozent jetzt eine Lohnerhöhung, die aufgrund eines Rechenmodells geht und in der Wirtschaftskammer legt man Wert darauf, zu sagen, nächstes Jahr wird es dann deswegen viel niedriger sein und im Schnitt über viele Jahre haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wirtschaftskammer niedriger Lohnerplüsse als in anderen Branchen.

00:02:23: Aber die Optik gerade jetzt in der Krise, wo viele Unternehmen tatsächlich nicht wissen, wie es weitergeht, viele Menschen auch um ihren Job fürchten, ist das Business as Usual eigentlich nicht angebracht.

00:02:36: Die allgemeine Lage hast du schon angesprochen, um zu

00:02:39: verstehen, warum jetzt

00:02:41: diese Höhe doch bemerkenswert ist, schauen wir vielleicht einmal in die letzten Monate zurück.

00:02:46: Also wir sind in den heurigen Lohnverhandlungsherbst, wie jedes Jahr mit den Metall angestartet.

00:02:51: Und während da normalerweise schon ein regelrechtes Tau ziehen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung stattfindet, hat man sich heuer quasi in Blitzgeschwindigkeit.

00:03:00: Auf eine Anpassung um ein Komma vier Prozent geeinigt.

00:03:03: Genau, bei den ein Komma vier Prozent geht es um die Istlöhne.

00:03:06: Das ist eigentlich der wichtige Faktor.

00:03:08: Die Kollektivlöhne sind bei knapp zwei Prozent gelegen.

00:03:11: Man muss im Unterscheiden zwischen dem Istlohn und dem Kollektivlohn.

00:03:14: Der Kollektivlohn ist de facto der Mindestlohn.

00:03:17: Das heißt, den bekommen jene, die wirklich ganz unten in der Einkommenskette sind, das sind aber die wenigsten.

00:03:23: Gerade in so Branchen wie bei den Metallern, aber auch bei uns.

00:03:27: Journalisten sind die meisten ja über Kollektivvertrag und zwar überwiegend die meisten über den Kollektivvertrag bezahlt.

00:03:35: Wir erleben ja auch in einer Zeit, wo wir einen Mitarbeiter Mangel haben, wo wir ja aufgrund der demografischen Entwicklung sogar immer stärker auch Probleme bekommen, die richtigen Leute an den richtigen Funktionen zu haben.

00:03:49: Deshalb müssen die Unternehmen von Haus aus höhere Gehälter zahlen.

00:03:54: Diese Einigung zwischen Gewerkschaft und Industriellenvereinigung war bei jedenfalls etwas Außergewöhnliches.

00:03:59: Sie ist ja sogar als Krisenabschluss bezeichnet worden.

00:04:04: Tatsächlich hat man sich innerhalb eines der Verhandlungstages bereits geeinigt und das hat auch gezeigt, dass beide Seiten der Sozialpartnerschaft auch die Dramatik der jetzigen wirtschaftlichen Situation erkannt haben.

00:04:17: Und ist, wie man das den Metallern ja immer so konstatiert, Ist da auch ein Trend ablesbar gewesen für die geheurigen Abschlüsse in den verschiedenen Branchen?

00:04:27: Also durch die Bank sind die Abschlüsse unter der Inflationsgrenze gelegen oder eine Inflationsrate gelegen.

00:04:35: Man muss immer sagen, die Abschlüsse beziehen sich nicht auf ein ganzes Kalender.

00:04:39: Ja, also für Heuer sind drei Prozent Inflation prognostiziert.

00:04:44: Aber meistens gehen ja diese Verhandlungen von September bis September oder von Oktober bis Oktober.

00:04:49: Also im Schnitt geht es hier um Inflationsraten zwischen drei, zero und drei, fünf Prozent.

00:04:56: Und selbst die Eisenbahner haben mit zwei, sieben knapp unter der Inflation abgeschlossen.

00:05:06: Und selbst das hat natürlich schon für Muren in der Privatwirtschaft gesorgt, weil das geht ja um Gelder, die tatsächlich auch wieder von der öffentlichen Hand gezahlt werden.

00:05:17: Apropos öffentliche Hand, auch Beamtinnen und Beamte hätten eigentlich schon mit einem Plus von drei Komma drei Prozent gerechnet.

00:05:24: Darauf hat man sich in einem Doppelabschluss bereits seit Jahrzehnte und vierundzwanzig geeinigt, unter anderem politischen Personal als von budgetären Engpässen noch keine Rede war.

00:05:37: Das Ganze hat ja auch abseits der Privatwirtschaft Kreise gezogen, nämlich bei den Lohnabschlüssen der Beamten.

00:05:43: Und bei den Beamten gab es etwas, was es eigentlich mit der Zweiten Republik noch nie gegeben hat, nämlich die hatten sich im vergangenen Jahr bereits auch für zwei Jahre geeinigt auf die Lohnerhöhungen.

00:05:55: und dieses Paket wurde tatsächlich aufgeschnürt, weil man eben gesagt hat, es schaut nicht gut aus, dass die Beamten, die eigentlich ja nicht um ihren Job bangen müssen, viel besser gestellt werden als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Privatwirtschaft.

00:06:12: Und tatsächlich, statt dieser drei Prozent waren es dann eins, fünf Prozent, weil eben die Gewerkschafter eingelenkt haben und insgesamt bringt es dem Staat, dem Finanzminister, wenn man so sagen kann, mehr als dreihundert Millionen Euro.

00:06:31: Auch er hat ja erheblichen

00:06:32: Spardruck, wie wir alle wissen.

00:06:34: Jetzt vertritt ja die Wirtschaftskammer durch die Bank eigentlich jene Unternehmerinnen und Unternehmer, die ja dieser Tage eigentlich auf möglichst niedrige Abschlüsse hoffen oder pochen.

00:06:45: Wieso gilt dann gerade in den eigenen Reihen eigentlich diese Devise der Spassamkeit nur so bedingt?

00:06:51: Ich glaube, da ist was passiert.

00:06:52: Es ist jetzt nicht so, ich möchte da auch keine Neutebatte oder so vom Zaun brechen, sondern da hat man sich einfach auf ein Regelwerk auf eine mathematische Formel verlassen, die immer darauf abzählt, dass sie abbildet die Abschlüsse des Vorjahres.

00:07:06: Und wenn wir uns erinnern, im Vorjahr war die Inflation extrem hoch und deshalb gab es im Vorjahr auch höhere Abschlüsse.

00:07:13: Und ein Jahr.

00:07:14: Zeitversetzt profitieren nun auch die Wirtschaftskammer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterinnen davon.

00:07:20: So kann man auch argumentieren, aber man kann genauso argumentieren wie bei den Beamten.

00:07:25: Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen.

00:07:29: Wir setzen diesen Automatismus aus.

00:07:32: Jetzt sind wir nach wie vor ja noch mittendrin in den Verhandlungen.

00:07:36: Du hast es vorhin schon gesagt, der diversen

00:07:37: Branche.

00:07:37: Die Herbstlohnrunde ist mitten im Gang und die wichtigste und größte Branche, die steht jetzt vor der Tür, nämlich in den kommenden Tagenbeginn, die Verhandlungen im Handel, da geht es um siehunderttausend Beschäftigte

00:07:50: und

00:07:50: auch hier war man sich eigentlich einig für Heuer und da wurde auch aufgeschnürt.

00:07:56: In dem Fall aber, weil eben die Inflation höher liegt als ursprünglich prognostiziert.

00:08:01: Wird jetzt ein schwieriges Thema, glaube ich, für die Verhandler der Arbeitgeberseite.

00:08:05: Wenn Sie gegenüber der Gewerkschaft argumentieren müssen, wir wollen eigentlich niedrig abschließen und im eigenen Haus hat man bei vier Prozent abgeschlossen.

00:08:15: Diese verhältnismäßig niedrigen Abschlüsse, die du besprochen hast.

00:08:20: Das bedeutet für viele Arbeitnehmerinnen dann tatsächlich, dass sie nicht die volle Inflation abgegolten bekommen, dass es vielleicht am Monatsende eng wird.

00:08:28: Gleichzeitig häufen sich nach wie vor die Insolvenzmeldungen.

00:08:31: Die Arbeitslosigkeit ist ganz aktuell im Oktober wieder gestiegen.

00:08:35: Das Wirtschaftswachstum soll bei bescheidenen Null Komma drei Prozent liegen.

00:08:39: Also was für einen Ausblick haben wir auf die künftigen Monate?

00:08:43: Wann kann diese Wirtschaftslaute als Überstanden gelten?

00:08:48: Wenn wir das wüssten, würden wir nicht beide hier sitzen, sondern würden ganz was anders machen, wir wissen es nicht.

00:08:55: Also die Wirtschaftsforscher gehen davon aus, dass es leicht bergauf geht, wobei wir reden hier von Steigerungen hinter einer Null, also Null, drei oder so weiter.

00:09:08: Das heißt, es ist für den Autonormalverbraucher vermutlich auch im nächsten Jahr nicht spürbar, dass es besser wird, sondern es geht Langsam bergauf, wir sind eigentlich in einer starken Nation bei steigenden Preisen.

00:09:21: Und das tut natürlich besonders weh.

00:09:27: Und das könnte wohl noch länger so bleiben.

00:09:29: Die Teuerung liegt in Österreich nämlich auch im Oktober wieder bei vier Prozent, deutlich über dem Durchschnitt der Eurozone.

00:09:36: Die Analyse von Gerhard Hofer können Sie natürlich auch nachlesen.

00:09:40: Den Link dazu finden Sie wie immer in den Shownotes.

00:09:43: Für heute sage ich Danke fürs Zuhören.

00:09:45: Wir haben einander morgen wieder.

00:09:46: Bis zum nächsten Mal.

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